Messung und Rückführbarkeit von Drehmoment in großen mechanischen Antrieben Messung und Rückführbarkeit von Drehmoment in großen mechanischen Antrieben | HBM

Messung und Rückführbarkeit von Drehmoment in großen mechanischen Antrieben

Betrachtet man die umfassenden Möglichkeiten der Drehmomentmessung, garantiert die Verfahrensweise mit Einsatz eines vom Hersteller kalibrierten Drehmomenaufnehmers mit vorgegebener Genauigkeit, die dank einer dokumentierten, ununterbrochenen Kette von Vergleichsmessungen diesen Drehmomentaufnehmer auf das Primärnormal zurückführt, deren Rückführbarkeit.

Präzisionsmessungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Wirkungsgrads und dadurch für die Erfüllung der strengen Umweltvorschriften für Schiffsmotoren. Die Optimierung von Schiffsmotoren auf der Grundlage hoch genauer und zuverlässiger Drehmomentmessungen ermöglicht erhebliche Energieeinsparungen und steht zudem im Einklang mit den ständig steigenden Anforderungen der internationalen Vorschriften, insbesondere für Schiffsmotoren mit hohem Nenndrehmoment [1].

Die Antriebsleistung wird einfach aus dieser genauen Messung des Drehmoments M zwischen dem Generator und der Antriebsseite in der rotierenden Vorrichtung und der Winkelgeschwindigkeit ω berechnet, und zwar anhand der Formel (1):

 

P=ω*M               (1)

  

Dank der genauen Drehmomentinformation kann das mechanische Antriebssystem präzise gesteuert werden. Dadurch können Verbrennungsmotoren (z. B. Vielstoff- oder Gasmotoren) überwacht werden, damit sie in ihrem optimalen Arbeitsfenster arbeiten, wodurch Klopfen, Zündaussetzer und Überlast vermieden und der Kraftstoffverbrauch gesenkt wird [1].

Drehmoment kann direkt oder indirekt gemessen werden:

Direkte Drehmomentmessung

Bei der direkten Drehmomentmessung wird ein Inline-Drehmomentaufnehmer als integraler Bestandteil der Antriebswelle verwendet (siehe Abb. 2). Der Drehmomentaufnehmer wird bereits beim Hersteller mit geeigneten Kalibrieranlagen kalibriert. Der Aufnehmer kann auf  einfache Art und Weise ein- und ausgebaut, ausgetauscht sowie rekalibriert werden.

Indirekte Drehmomentmessung

Die indirekte Drehmomentmessung an einer zylindrischen Welle umfasst das Messen drehmomentbezogener Parameter und anschließende Berechnungen.

a) Dehnungsmessung an der Oberfläche der Eingangswelle. Hierzu werden Dehnungsmessstreifen direkt auf die Welle installiert und als Messbrücke verschaltet. Die Übertragung der Speisespannung der Messbrücke und des Messsignals erfolgt in beiden Fällen berührungslos.

b) Das Drehmoment in einer zylindrischen Welle kann auch durch Messung des Verdrehwinkels erfolgen.

Beide Methoden bieten einige Vorteile, z. B. das Nachrüsten existierender Systeme. Abhängig von der Qualität der Installation und der verwendeten Komponenten kann der später zu berechnende Drehmomentwert aufgrund der Toleranzen (siehe Tab. 1) eine relativ große Unsicherheit haben, was letztendlich zu einer relativ großen Messunsicherheit führt.

Kalibrierung und Rückführbarkeit

Um die zur Erfüllung der strengen Umweltbestimmungen in der Schifffahrtsindustrie erforderliche Präzision der Antriebsleistung oder den Wirkungsgrad sicherzustellen, stehen neben dem Messen großer Drehmomente auch die Kalibrierung und Rückführbarkeit dieser physikalischen Größe immer stärker im Fokus. Prinzipiell unterscheidet man in der Drehmomentkalibrierung zwei Techniken: Hebelarm-Masse-System und Referenzaufnehmer.

  • Hebelarm-Masse-Systeme: Wirkt über einen Hebelarm bekannter Länge die Gewichtskraft kalibrierter Massen auf den Prüfling, wird ein genau definiertes Drehmoment erzeugt [3].
  • Die zweite in der Drehmomentkalibrierung eingesetzte Technik ist die Verwendung eines Kraft-Referenzaufnehmers mit einem Hebelarm [2].
  • Das dritte Prinzip ist ein Drehmoment-Referenzaufnehmer, der den Referenzwert liefert. Systeme mit Drehmoment-Referenzaufnehmern können jeden beliebigen Mechanismus zur Erzeugung des Drehmoments nutzen, das dann mit dem Drehmoment-Referenzaufnehmer gemessen wird [2].

Die neue Kalibrieranlage von HBM

Um diese Anforderungen zu erfüllen, verfügt die neue Kalibrieranlage (siehe Abb. 3) über einen Drehmoment-Referenzaufnehmer, der das Referenzdrehmoment liefert.

Als Referenzaufnehmer wurden modifizierte Drehmomentaufnehmer T10FH/150 kN•m und T10FH/400 kN•m ausgewählt. Dank der beiden Präzisionsreferenzaufnehmer konnte eine Messunsicherheit von 0,1 % erreicht werden. Den Hauptbeitrag zur Erreichung dieser bemerkenswerten Ergebnisse hinsichtlich der Unsicherheit leistet die dokumentierte, ununterbrochene Kette von Vergleichsmessungen, die diese Drehmomentaufnehmer auf den Referenzaufnehmer des deutschen Nationalen Normals zurückführt (siehe Rückführbarkeitspyramide, Abb. 4).

Die Messunsicherheit des deutschen Nationalen Normals, der hochrangigsten Kalibrieranlage mit 1,1 MN•m, auch als "Drehmomentnormalanlage" bezeichnet und im Besitz der PTB, auf die diese neue 400 kN•m-Kalibriereinrichtung rückführbar ist, liegt bei 0,08 %.

Dank dieser Präzision des Drehmomentsensors kann das Drehmoment gemessen und daher Leistung und Wirkungsgrad mit einer mindestens 10 mal höheren Genauigkeit berechnet werden als von den aktuellen Umweltvorschriften der Schifffahrtsindustrie gefordert.

Literatur

[1] K. Weissbrodt, Direct torque measurement on large drives with very small tolerances, Paper Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH (2011)

[2] R. Schicker and G. Wegener, Measuring Torque Correctly. Bielefeld: Hottinger Baldwin Messtechnik GmbH. (2002)

[3] Davis, F.A. The 1st UK National Standard Static Torque Calibration Machine-New Design Concepts Lead The way. Measurement Science Conference in Anaheim, USA. (2002)