ETH Zürich im Verein ARIS Case Study: Experimentelle Spannungsanalyse mit ARIS | HBM

Experimentelle Spannungsanalyse: Studenten erobern mit HBK den Rand der Troposphäre

 

Bereits seit 2017 bauen Studierende der ETH Zürich im Verein Akademische Raumfahrts Initiative Schweiz (ARIS) Forschungsraketen. In den Jahren 2020/21 realisierte ein Team aus über 50 motivierten Bachelor, Master und Doktor Studierenden im Rahmen des Projekts PICCARD die 4. Forschungsraketen-Generation zur Teilnahme an der European Rocketery Challenge (EuRoC) in Portugal. 

 

Ihr Ziel war es, mit der PICCARD getauften Forschungsrakete in der höchsten Kategorie "Raketen mit selbst entwickeltem Antrieb und Flughöhe 10.000 Meter" zu gewinnen. Die Forschungsrakete verfügte dazu erstmals über einen selbst entwickelten Hybridantrieb. Die Funktionsfähigkeit des Systems wurde im Oktober 2021 mit dem gelungenen EuRoC-Start unter Beweis gestellt. Möglich wurde dieser Erfolg auch dank eines neuen Überwachungssystems zur Messung der Belastungen der Aerostruktur der Forschungsrakete. Die darin eingesetzten Dehnungsmessstreifen von HBK lieferten während aller Phasen des Fluges wertvolle Erkenntnisse über die auftretenden Biegemomente und Axialkräfte. 

 

Sie bilden damit die Basis zur weiteren Optimierung des Flugkörpers und damit für eine erfolgreiche Teilnahme am Spaceport America Cup 2022 in New Mexico. Hier will das Team im Rahmen der Nachfolgemission HELVETIA eine Nutzlast von vier Kilogramm erfolgreich in 10.000 Meter Höhe transportieren und alle Teile der Forschungsrakete wieder sicher auf die Erde bringen. 

Problem

Die Struktur einer Rakete ist im Flug erheblichen Belastungen ausgesetzt. In Simulationen lassen sich diese teilweise ermitteln. Einige kritische Einflussfaktoren, etwa der Wind oder die Schockbelastung bei der Öffnung des Fallschirms, lassen sich in Analysen dagegen nicht exakt bestimmen. Es bedarf jedoch zuverlässiger Daten für alle Belastungs-relevanten Faktoren, um eine Aerostruktur der Rakete zu realisieren, die eine zur Erreichung der Ziele der Mission nötige maximale Festigkeit bei minimalen Gewicht bietet.

Lösung

Um die in Simulationen errechneten Belastungen der Aerostruktur der PICCARD Rakete im Flug verifizieren und gegebenenfalls korrigieren zu können, wurde in die Rakete ein System zur Überwachung der real auftretenden Biegemomente und Axialkräfte integriert. Herzstück des Systems zur experimentellen Spannungsanalyse sind Dehnungsmessstreifen von HBK. Diese liefern auch unter extremen Bedingungen zuverlässig aussagekräftige Messergebnisse. Sie sind die Basis für ein besseres Verständnis der tatsächlich auftretenden Belastungen der Aerostruktur in allen Phasen eines Fluges und damit für gezielte Optimierung der Strukturteile.

Ergebnis

Nachdem die ARIS-Teams die im Flug auf die Rakete einwirkenden Kräfte in der Vergangenheit rein analytisch mittels vereinfachter Annahmen in Simulationen ermittelt hatten, kam bei der Mission PICCARD erstmals ein eigenes Überwachungssystem zum Einsatz. Dieses wurde in der Rakete integriert. Von dort lieferten die zur Messung eingesetzten robusten Dehnungsmessstreifen von HBK aussagekräftige Messwerte der an der Aerostruktur der Rakete aufgetretenen Belastungen. Die im Rahmen der strukturellen Spannungsanalyse während des Testflugs erfassten Biegemomente und Axialkräfte ermöglichten anschließend eine entsprechend gewichtsoptimierte Auslegung aller lasttragenden Strukturteile. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme am Spaceport America Cup 2022 in New Mexico konnten damit geschaffen werden.

Studierende der ETH Zürich auf dem Weg zu den Sternen

Der gemeinnützige Verein Akademische Raumfahrts Initiative Schweiz (ARIS) wurde im August 2017 an der ETH Zürich gegründet. Er ermöglicht Studierenden seither den Einsatz ihres theoretischen Wissens in praxisnahen Projekten. Konkret entwickeln die ARIS-Teams in diesem Kontext Raketen, mit denen sie weltweit an Wettbewerben für den akademischen Nachwuchs sowie ambitionierte Non-Profit-Gruppen teilnehmen.

2020 startete mit dem Projekt PICCARD die 4. ARIS-Mission. Ziel dieser Mission ist der Sieg beim Spaceport America Cup 2022 in New Mexico. Dazu will das Team mit seiner Rakete in den USA eine Nutzlast von vier Kilogramm in eine Höhe von 10.000 Metern transportieren und alle Komponenten anschließend sicher zur Erde zurückkehren lassen. Gelingen soll dies mit der von über 50 motivierten Bachelor- und Master-Studierenden sowie Doktoranden komplett neu entwickelten Rakete PICCARD.

Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen mit zugekaufter Antriebstechnik verfügte PICCARD erstmals über einen selbst entwickelten Hybridantrieb. Ihren offiziellen Erstflug absolvierte die Neuentwicklung bei der European Rocketery Challenge (EuRoC) in Portugal. Dabei konnte die Funktionstüchtigkeit des Systems unter Beweis gestellt werden.

Neben dem neuen Antrieb kam in Portugal auch erstmals ein in die Rakete integriertes Überwachungssystem auf Basis von Dehnungsmessstreifen von HBK zum Einsatz. Mit seiner Hilfe konnte das PICCARD-Team während des Fluges wertvolle Daten sammeln, die eine gezielte Optimierung der Rakete für einen erfolgreichen Start in New Mexico ermöglichen.

Der steile Weg zur optimalen Aerostruktur

Damit die PICCARD Rakete ihren Flug und die Rückkehr zur Erde erfolgreich absolvieren kann, ist eine ausreichend robuste Aerostruktur zwingend. Diese muss den in allen Flugphasen auftretenden Kräften gewachsen sein. Gleichzeitig sollte die Rakete jedoch so leicht wie möglich sein. Nur dann kann sie inklusive Nutzlast mithilfe ihres eigenen Antriebs die gewünschte Flughöhe erreichen. Es sind daher exakte Kenntnisse aller möglichen auf die Struktur im Flug einwirkenden Belastungen nötig, um eine maximale Festigkeit der Rakete bei einem minimalem Gewicht zu erzielen.

Mithilfe von Simulationen haben die Studierenden bei der Entwicklung von PICCARD die wichtigsten Orientierungsgrößen zur Auslegung der Aerostruktur der Rakete bestimmt. Die Effekte von nur schwer vorherzusagenden externen Einflüsse, etwa die des Windes, lassen sich im Modell jedoch nur annährend bestimmen. Messungen während des Fluges jedoch liefern präzise Erkenntnisse zu den real auftretenden Kräften, die eine optimale Auslegung der Aerostruktur ermöglichen.

Mission Überwachungssystem erfolgreich gestartet

In einem separaten Teilprojekt entwickelten die Studierenden für die Mission PICCARD ein leichtes, einfach zu implementierendes und dabei präzises Überwachungssystem. Das fertige System wurde oberhalb des Raketentanks integriert. Mit seiner Hilfe konnten bei der EuRoC in Portugal die während des Raketenfluges auftretenden Biegemomente und Axialkräfte erfasst werden. Diese Erkenntnisse bilden nun die Basis zur weiteren Optimierung der Auslegung der strukturellen Teile der Rakete, um 2022 den erhofften ersten Platz beim Spaceport America Cup erreichen zu können.

Zur Überwachung der Lastfälle wurden im Überwachungssystem insgesamt drei Wheatstonebrücken mit je zwei Dehnungsmessstreifen von HBK implementiert, zwei für Momente in x- und y-Richtung und eine für die Axialkräfte in z-Richtung. Die Dehnungsmessstreifen wurden an der Innenseite der Raketenhülle aus Carbon angebracht. Es wurden 350Ω Dehnungsmessstreifen verwendet und mit einer 3.3V Hochpräzisionsspannung versorgt. Für eine optimale Signalqualität wurden alle Signalkabel abgeschirmt und auf der Platine geerdet. Tests im Vorfeld zeigten, dass das gesamte Modul nur sehr geringes Rauschen aufweist. Die Sensoren wurden anhand eines 3-Punkte-Biegetest kalibriert. Es wurden Lasten bis zu dreiviertel der erwarteten Maximalbelastung für den Biegelastfall angebracht.

Mit der Anordnung der Dehnmessstreifen für die Biegemomente konnten die Deformationen durch Axialkräfte und Temperaturen ausgeglichen werden. Die Anordnung für die Axialkräfte hingegen misst Kraftanteile durch Biegung und Normalkräfte und kompensiert nur temperaturbedingte Deformationen. Dementsprechend müssen diese Messdaten für eine direkte Aussage über Axialkräfte nachbearbeitet werden.

Präzise Daten ermöglichen optimierte Strukturteile

Das neue Überwachungssystem hat sich bei seinem ersten Einsatz in Portugal direkt bewährt. Es hat die Belastungen im Flug zuverlässig gemessen und einen Großteil der erhofften Daten geliefert. Die Axialkräfte und die Biegemomente in x- und y-Richtung konnten vom Start der Rakete bis zum höchsten Punkt ihres Flugs (Apogee) präzise ermittelt werden.

Aussagekräftige Messdaten der Rückkehr der Rakete zur Erde konnten leider nicht erhoben werden. Aufgrund eines technischen Fehlers beim Fallschirmsystem wurden die Fallschirme nicht plangemäß bei Apogee ausgelöst. Dies war erst beim Sinkflug mit 240 m/s Fallgeschwindigkeit der Fall. Die dadurch verursachten Schockkräfte waren so groß, dass die Rakete auseinanderbrach.

Ungeachtet der fehlenden Messwerte vom Abstieg ermöglichen die Daten ein besseres Verständnis für das System. Die Aerostruktur der PICCARD Rakete kann damit weiter optimiert und ein Sieg beim Spaceport America Cup 2022 angepeilt werden.

HBK liefert einfach die besten Ergebnisse

Bei der Wahl der im neu entwickelten Überwachungssystem zum Einsatz kommenden Messtechnik waren die Dehnungsmessstreifen von HBK gesetzt. Für die Technik der Darmstädter sprachen positive Erfahrungen der Vergangenheit gepaart mit dem internationalen Renommee des Unternehmens als Lieferant von Messtechnik, die selbst unter anspruchsvollsten Umwelt-Bedingungen zuverlässig präzise Ergebnisse liefert. Ein weiterer Pluspunkt war die einfache Integrierbarkeit der HBK Dehnungsmessstreifen, die das von den Messtechnik-Experten gemachte Versprechen „plug and measure“ einlösten. Darüber hinaus unterstützte das HBK-Team das Projekt PICCARD engagiert mit Rat und Tat. Dies sowie die hohe Identifikation der Ansprechpartner bei HBK mit den Zielen der Mission sind überzeugende Argumente für eine künftige Zusammenarbeit und weitere erfolgreiche Projekte.

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Über ARIS und die ETH Zürich

Im Verein Akademische Raumfahrts Initiative Schweiz (ARIS) beschäftigen sich motivierte Bachelor, Master und Doktor Studierende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) seit 2017 intensiv mit der Entwicklung und dem Bau von Raketen. Ihr Ziel ist die Anwendung und Vertiefung ihres theoretischen Wissens, um erfolgreich an verschiedenen Wettbewerben im Kontext der Luft- und Raumfahrt teilzunehmen. Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) ist eine technisch-naturwissenschaftliche universitäre Hochschule. 1855 gegründet, zählt sie heute zu den renommiertesten Universitäten weltweit. In 16 Departmentes sind rund 23.000 Studierende und Doktoranden eingeschrieben.