ISO 376 – die Norm für die Kalibrierung von Kraftaufnehme ISO 376 – die Norm für die Kalibrierung von Kraftaufnehme | HBM

ISO 376 – die Norm für die Kalibrierung von Kraftaufnehmern: Verbesserte Zuverlässigkeit und Messunsicherheit

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was mit Ihrem Sensor passiert, wenn Sie eine Kalibrierung nach ISO 376 in Auftrag geben und worauf sich die Werte im Kalibrierschein beziehen? Wenn ja, finden Sie in diesem Whitepaper eine kurze Zusammenfassung der in der Welt der (Referenz-)Kraftmessung allgemein anerkannten Norm.

Was bedeutet Kalibrierung?

Kalibrierung beschreibt im Allgemeinen den Vergleich der Messergebnisse eines zu prüfenden Sensors mit einem Kalibriernormal. Ergebnis einer Kalibrierung ist immer, dass neben dem Ausgangssignal eines Kraftaufnehmers bei Belastung mit einer bestimmten Kraft auch seine Messunsicherheit bei dieser Laststufe bekannt ist.

Es gibt zwei Kalibrierverfahren für Kraftaufnehmer:

  • Belastung des Kraftaufnehmers mit Gewichten
  • Belastung des Kraftaufnehmers mithilfe eines hydraulischen Aktors und Messung der tatsächlichen Kraft mit einem hochpräzisen Kraftaufnehmer

Gute Gründe für eine Kalibrierung als Dienstleistung

Die Kalibrierung stellt sicher, dass ein Kraftaufnehmer ordnungsgemäß funktioniert. Zudem zeigt sie die Kennwerte des jeweiligen Kraftaufnehmers auf. Den Messergebnissen, die ein kalibrierter Sensor liefert, können Sie daher vertrauen. Darüber hinaus ermöglicht die Kalibrierung eine bessere Berechnung der Messunsicherheit, da die im Kalibrierschein für den jeweiligen Kraftaufnehmer ausgewiesenen Kennwerte in den meisten Fällen viel genauer sind als die im Datenblatt angegebenen, die für die gesamte Modellreihe gelten.

In der Welt der Referenzkraftaufnehmer (Transfernormale) ist die DIN EN ISO 376 der weltweit anerkannte „Goldstandard“. Sie gilt für sogenannte Master-Sensoren sowie für viele industrielle Anwendungen. Sie ist zwar komplexer als eine Werksnormal- oder DKD-R 3-3-Kalibrierung, jedoch auch deutlich genauer und in vielen Fällen erforderlich.

Diese Zusammenfassung kann die vollständige Fassung der Norm ISO 376 nicht ersetzen, wird Ihnen jedoch helfen zu verstehen, was passiert, wenn Sie Ihren Kraftaufnehmer zur Kalibrierung nach ISO 376 an das HBK-Kalibrierlabor senden.

Was definiert die Norm ISO 376?

  • Das Prüfverfahren (Anzahl der Vorbelastungen, Anzahl der Laststufen,…)
  • Die Kennwerte (Nennkraft, Hysterese, Wiederholpräzision,…), berechnet anhand der während des Kalibrierprozesses aufgezeichneten Rohdaten, sowie die verwendete Berechnungsmethode
  • Die Messunsicherheit des Kraftaufnehmers unter verschiedenen Bedingungen (entweder für zunehmende Kräfte oder für zu- und abnehmende Kräfte) für jede Laststufe (und die Kräfte dazwischen)
  • Die Klassifizierung des Kraftsensors für jede Laststufe und jeden Kraftbereich

Das Prüfverfahren

Vorbelastung

Jede ISO 376-Kalibrierung beginnt mit dem dreimaligen Vorbelasten des Sensors. Jedes Mal wird mit Kalibrierhöchstkraft vorbelastet.

Zweimaliges Messen mit zunehmenden Kräften in Laststufen (R1 und R2)

In der nächsten Phase des Kalibriervorgangs wird der Sensor mit zunehmenden Kräften in acht bis zehn Laststufen bis zur Kalibrierhöchstkraft belastet. Nach dem Entlasten wird der gleiche Vorgang in unveränderter Einbaulage wiederholt. Mit anderen Worten, die Positionierung des Kraftaufnehmers in der Kalibriereinrichtung wird nicht verändert und er wird ein zweites Mal mit den gleichen Laststufen belastet.

Messen in verschiedenen Einbaulagen (R3 – R6)

Im Anschluss wird der Sensor ausgebaut, um 120° gedreht und wieder in die Kalibriereinrichtung eingebaut. Nach Vorbelastung mit Kalibrierhöchstkraft wird der Sensor erneut mit den Laststufen der vorherigen Phase bis zur Kalibrierhöchstkraft be- und dann in den gleichen Stufen entlastet. Beachten Sie, dass die Laststufen bei abnehmender und zunehmender Kraft identisch sind. Dies unterscheidet sich von den beiden vorherigen Phasen des Kalibrierverfahrens, in denen der Sensor in einem Schritt von Kalibrierhöchstkraft auf Null entlastet wurde.

Nach dem zweiten Ausbauen des Sensors wird er erneut um 120° gedreht und vollständig mit seiner Kalibrierhöchstkraft belastet. Anschließend wird er ein weiteres Mal mit den gleichen Laststufen wie oben für den vorherigen Teil der Prüfung beschrieben be- und entlastet.

Kriechmessung

Nach erneuter Entlastung des Sensors erfolgt als letzter Schritt des Verfahrens eine Kriechmessung.

Kompletter Ablauf – Schritt für Schritt

Alle Kalibrierscheine weisen die Ergebnisse für jede Messreihe (R1 – R6) im Detail aus:

  • R1 erste Messreihe: Zunehmende Kraft
  • R2 zweite Messreihe: Zunehmende Kraft, unveränderte Einbaulage

→ DREHUNG UM 120°

  • R3 dritte Messreihe: Zunehmende Kraft
  • R4 dritte Messreihe: Ab der höchsten Laststufe von R3, abnehmende Kraft

→ DREHUNG UM 120° 

  • R5 vierte Messreihe: Zunehmende Kraft
  • R6 vierte Messreihe: Ab der höchsten Laststufe von R5, abnehmende Kraft

→ Kriechmessung

Die Ergebnisse: Kennwerte

Um die verschiedenen Kraftsensoren vergleichen und einer entsprechenden Genauigkeitsklasse zuordnen zu können, müssen die Kennwerte für jeden Sensor und jede Laststufe ermittelt und ausgewertet werden. Die folgenden technischen Daten werden aus dem oben beschriebenen Kalibrierverfahren berechnet:

  • Wiederholpräzision: Abweichung des Ausgangssignals in unveränderter Einbaulage

  • Vergleichspräzision: Beschreibt die Abweichung des Ausgangssignals der jeweiligen Laststufe in verschiedenen Einbaustellungen

  • Interpolationsabweichung: Die Interpolationsabweichung ist der Unterschied zwischen der realen Kennlinie des Sensors und der Kurvenanpassung

  • Umkehrspanne/Hysterese: Beschreibt den Unterschied im Ausgangssignal zwischen auf- und absteigender Belastung für jede angefahrene Laststufe

  • Kriechen: Gibt die Änderung des Ausgangssignals unter konstanter Last an

  • Nullpunktabweichung: Gibt die Abweichung des Nullpunkts vor und nach einem Be- und Entlastungsdurchgang an.

Mit Ausnahme der Nullabweichung werden alle Kennwerte relativ zu jeder einzelnen Laststufe, also relativ zum Istwert, berechnet. Es ist festzuhalten, dass das Ergebnis einer Kalibrierung nie genauer sein kann als die verwendete Kalibriereinrichtung. Daher ist die Messunsicherheit der Kalibriereinrichtung ein wichtiger Punkt, der auf jeden Fall zu berücksichtigen ist.

  • Erweiterte Messunsicherheit der Kalibrierkraft: Dieser Wert bezieht sich nicht auf den Kraftaufnehmer, sondern auf die verwendete Kalibriereinrichtung

Weitere Informationen zu den hier beschriebenen Kennwerten finden Sie im Glossar Kraftmesstechnik von HBK

Messunsicherheit und Klassifizierung

Jeder nach DIN EN ISO 376 kalibrierte Aufnehmer erhält einen Kalibrierschein, der eine Auswertung der Kennwerte des Sensors und Informationen über die verwendete Kalibriereinrichtung, die Rückführbarkeit und Messunsicherheit sowie die Umgebungsbedingungen während des Kalibriervorgangs liefert. Im Kalibrierschein finden Sie die Messunsicherheit des kalibrierten Kraftaufnehmers für jede Laststufe und vier verschiedene Fälle:

  • Fall A: Nur für zunehmende Kräfte, bei Verwendung des Sensors nur für Kräfte entsprechend einer Laststufe der Kalibrierung

  • Fall C: Nur für zunehmende Kräfte, jedoch mit der Möglichkeit der Verwendung für beliebige Kräfte im Kalibrierbereich

  • Fall B: Für zu- und abnehmende Kräfte, bei Verwendung des Sensors nur für Kräfte entsprechend der Laststufe der Kalibrierung

  • Fall D: Für zu- und abnehmende Kräfte, jedoch mit der Möglichkeit der Verwendung für beliebige Kräfte im Kalibrierbereich

Die vier Fälle beziehen unterschiedliche Kennwerte in die Berechnung der Messunsicherheit ein. Beispiel: Fall A berücksichtigt die Interpolationsabweichung und die Umkehrspanne nicht, im Gegensatz zu Fall D.

Die Messunsicherheit wird als ‘erweiterte Messunsicherheit’ ausgewiesen, was bedeutet, dass sie für den Erweiterungsfaktor k=2 angegeben wird. Das heißt, dass 95 % aller Prüfungen in diesem Messunsicherheitsbereich liegen werden.

Eine vollständige Übersicht darüber, welcher Fall welche Abweichungen berücksichtigt, findet sich im Folgenden.

Zusätzlich finden Sie für jede Laststufe und jeden Fall eine Klassifizierung, wobei 00 die höchste und 2 die niedrigste Klasse ist. Da die Klassifizierung des Kraftaufnehmers für jede Laststufe erfolgt, können die Klassen in Bereichen angegeben werden. Beispiel: Ein Sensor erfüllt die Anforderungen der Klasse 00 von 40 % bis 100 % der Nennkraft, jedoch nur die Klasse 0,5 von 10 % bis 29,99999 %.

HBK garantiert die Genauigkeitsklasse der Sensoren, wenn diese zusammen mit einer Kalibrierung bestellt werden. Die Messbereiche und die Genauigkeitsklasse nach ISO 376 finden Sie in der folgenden Tabelle.

SensorKlasseMessbereich
C150010% – 100%
U150,510% – 100%
Z4A0020% – 100%
Z30a0020% – 100%
C180,520% – 100%
C50040% – 100% (20% - 100%)

Abbildung 4 – HBK-Sensoren und ihre Messbereiche

Bei HBK wird die Genauigkeitsklasse nach ISO 376 immer mit einem Messbereich angegeben, der für alle Einsatzfälle gilt.

Um höheren Ansprüchen an die Sensorgenauigkeit gerecht zu werden, bieten die Kraftsensoren der TOP Transfer-Serie noch bessere technische Eigenschaften, die über die Anforderungen gemäß Klasse 00 ISO 376 hinausgehen.