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US-Hersteller verbessern Produktionsleistung durch Einsatz schneller Datenerfassung

Im Rahmen der weltweiten Bestrebungen verarbeitender Unternehmen, die Qualität ihrer Produkte zu verbessern, nutzen Wissenschaftler in den USA Datenerfassungssysteme von HBM zur Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen Hersteller in den USA derzeit grundlegende Veränderungen um, die sich auf den Entwurf und Bau komplexer, hochgradig kundenspezifischer Produkte von hoher Qualität konzentrieren. Die weltweite Nachfrage macht eine zügige Produktion unabdingbar, um so den sich verändernden Marktanforderungen gerecht zu werden. Hersteller sehen sich veranlasst Produktentwicklungszyklen zu verkürzen und Produktionssysteme und Versorgungsnetze flexibler und schneller zu gestalten. Gleichzeitig müssen Energieverbrauch und Umweltbelastung reduziert werden.

Eine der grundlegenden Herausforderungen, vor denen die verarbeitende Industrie in den USA steht, ist die Notwendigkeit, präzise Vorhersagen darüber zu machen, welches die optimalen Maschinenparameter für einen bestimmten Prozess und einen bestimmten Werkstoff sind.

Dieses Thema war Schwerpunkt eines US-Forschungsprojekts, in dessen Rahmen das Nationale Institut für Standards und Technologie (NIST = National Institute of Standards and Technology) fortgeschrittene Methoden und Werkzeuge für die Prozessmesstechnik entwickelt hat, um bestehende Fertigungsprozesse besser wissenschaftlich zu verstehen.

Ziel des Forschungsprojekts

Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Grundlagen für die Entwicklung neuer industrieller Anwendungen zu legen, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der USA stärken.

Es wurden verschiedene Prozesse entwickelt, denen grundlegende Bedeutung für eine Vielzahl von Fertigungsprozessen beigemessen wird und die dem NIST zufolge generische messtechnische Ansätze verlangen.

  • Bei der Betrachtung weit verbreiteter Prozessphänomene ging es dem NIST darum, Kräfte, Temperaturen, Materialeigenschaften und Materialumformungen, insbesondere an Schnittstellen zwischen den Werkzeugen, besser zu verstehen.
  • Ein weiterer Schwerpunkt war die Suche nach Möglichkeiten, durch Betrachtungen von Leistung, Reibung und Schwingungen im Fertigungsprozess die Auswirkungen von Werkzeugverschleiß zu reduzieren.

Diese Veränderungen erfordern einen Übergang von den bisherigen Fertigungspraktiken, die auf menschlichen Erfahrungen beruhen hin zu Modellierung, Entscheidungsfindung und Produktion auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Im Rahmen des NIST-Programms werden gerade grundlegende Messverfahren, Normen und Werkzeuge entwickelt, die Hersteller in den USA in diesem Transformationsprozess unterstützen sollen.

Werkstoffproben im Split Hopkinson Bar

Das Forschungsprojekt des NIST umfasst die Entwicklung eines präzisionsgefertigten so genannten "Kolsky Bar" - oder "Split Hopkinson Bar" - in Kombination mit einem System zur schnellen Aufheizung. Das System wurde entwickelt, um Informationen über Materialeigenschaften zu liefern und dadurch zur Verbesserung der Finite-Elemente-Berechnung von schnell laufenden Bearbeitungsprozessen beizutragen.

Der Split Hopkinson Bar des NIST besteht aus zwei Stäben aus hoch festem Stahl von 1,5 m Länge und 15 mm Durchmesser, die so gelagert sind, dass ein axiales Gleiten der Stäbe möglich ist, jedoch kein Biegen in andere Richtungen. Diese beiden Stäbe werden als „Incident Bar“ und „Transmission Bar“ bezeichnet. Zusätzlich gibt es einen dritten Stab aus dem gleichen Stahl wie die beiden Hauptstäbe - den "Striker". Dieser ist viel kürzer als die beiden Hauptstäbe, hat aber den gleichen Durchmesser und ist leicht verschiebbar.

Bei den Versuchen befindet sich eine zylindrische Werkstoffprobe des zu untersuchenden Materials sorgfältig achsensymmetrisch ausgerichtet zwischen den beiden Stäben. Dies bedeutet, dass - ohne Berücksichtigung radialer Einflüsse - alle gesammelten Daten mit Hilfe der eindimensionalen Wellentheorie analysiert werden können. Durch Druckluft mit verschieden hohen Geschwindigkeiten beschleunigt trifft der Striker auf den Incident Bar auf.

Das Auftreffen des Strikers verursacht eine Druckwelle, die den Incident Bar und die Werkstoffprobe durchläuft. Bei diesem Ansatz wird also die Werkstoffprobe schnell mit einer Druckwelle beaufschlagt.  Wenn die Druckwelle die Werkstoffprobe erreicht, teilt der Impedanzunterschied zwischen dem Stab und der Werkstoffprobe die Eingangswelle in zwei Teile.

Und zwar in eine Welle in Zugrichtung, die entlang des Incident Bar reflektiert wird. Und eine zweite Welle, die sich in Druckrichtung fortsetzt und die Werkstoffprobe - schnell und permanent - plastisch verformt. Diese Welle setzt sich dann in den Transmission Bar hinein fort. Der Split Hopkinson Bar des NIST ist so konstruiert, dass nur die Werkstoffprobe plastisch verformt wird.

Impulsartiges Aufheizen

Das NIST-System ist darüber hinaus mit einem kontrollierten Widerstandsheiz-System kombiniert und ermöglicht dadurch eine neuartige Sicht auf die messtechnischen Eigenschaften der Werkstoffprobe.

Das Heizsystem wurde ursprünglich entwickelt, um die physikalischen Eigenschaften von Metallen bei hohen Temperaturen zu messen, z.B. den kritischen Punkt beim Schmelzen eines reinen Metalls. Es wurde nun dahingehend weiterentwickelt, dass eine in den Prüfaufbau eingebrachte Werkstoffprobe mit Hilfe präzise gesteuerter Gleichstromimpulse extrem schnell aufgeheizt werden kann.

Der Split Hopkinson Bar des NIST kann eine Werkstoffprobe in weniger als einer Sekunde auf Temperaturen von ca. 1.000 °C aufheizen. Diese hohen Temperaturen können für einige Sekunden aufrecht erhalten werden, bevor die Stromzufuhr schnell unterbrochen wird, um mit Dehnraten von bis zu 104 s-1 dynamische Druckversuche an schnell aufgeheizten Werkstoffproben durchzuführen.

Diese Kombination des Split Hopkinson Bar des NIST mit einer vorgeheizten Werkstoffprobe ermöglicht Wissenschaftlern die Untersuchung des Einflusses der Aufheizraten und der Zeit bei jeder beliebigen Temperatur auf die Fließspannung von kohlenstoffhaltigem Stahl, so dass schnell laufende Bearbeitungsvorgänge simuliert werden können.

Obwohl die Rate der impulsartigen Aufheizung niedriger ist als normalerweise in schnell laufenden Bearbeitungsprozessen, ist sie doch viel höher als beim Vorheizen von Werkstoffproben mit Hilfe herkömmlicher Methoden. Diese Eigenschaft ist von Vorteil, da weniger Zeit für thermisch ausgelöste Prozesse im Materialgefüge bleibt, z.B. Ausglühen durch Verlagerung, Kornwachstum und Phasenumwandlungen in Festkörpern und ermöglicht so Fließspannungsmessungen.

Die Bedeutung der Messdatenerfassung

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Überwachung des Split Hopkinson Bar des NIST mit extrem leistungsfähigen Datenerfassungs- und -analysesystemen erfolgt, da das Hauptziel der Versuche das Sammeln von Daten ist, die die Entwicklung fortgeschrittener Methoden und Werkzeuge der Prozessmesstechnik ermöglichen.

Üblicherweise wird jeder einzelne Werkstoff fünf bis zehn Prüfungen unterzogen; die Prüfungen müssen daher wiederholbar und die Datenerfassungssysteme in der Lage sein, jederzeit Vergleiche der Daten unterschiedlicher Prüfungen durchzuführen. Darüber hinaus ist jede Prüfung eine zerstörende Prüfung, da die Werkstoffproben sehr dünn sind und im Verlauf der Versuche permanent verformt werden.

Um die korrekte Erfassung und anschließende Auswertung aller relevanten Daten sicherzustellen, musste der Systementwurf eine Reihe von Randbedingungen erfüllen, da die Zeitspanne während der Versuche nur wenige Millisekunden beträgt.

Die Lösung: Genesis HighSpeed

Um all diesen Anforderungen zuverlässig gerecht werden zu können, entwickelte das NIST ein integriertes Softwaresystem für die Verarbeitung und Verteilung von Split Hopkinson Bar-Daten (PADS = Processing And Distribution System).

Das Datenerfassungssystem Genesis HighSpeed von HBM versorgt Data PADS mit Split Hopkinson Bar-Messdaten. HBM konnte den Anforderungen des NIST entsprechen, weil Genesis HighSpeed ein robustes Datenerfassungssystem ist, das alle relevanten Daten an den drei Schlüsselstellen während des Versuchs -

  • dem ersten druckwellenförmigen Auftreffen,
  • der reflektierten Welle in Druckrichtung
  • und der weiterlaufenden Welle in Zugrichtung -

innerhalb der sehr kurzen verfügbaren Zeitspanne erfassen kann. Dies, zusammen mit dem messtechnischen Fachwissen, das HBM auf internationaler Ebene erworben hat, versetzte das Unternehmen in die Lage, die gesamte Ausstattung an Sensoren, Datenerfassungs- und -verarbeitungsgeräten - vom Dehnungsmessstreifen bis zur Auswertesoftware - zu liefern, die Wissenschaftler zum Aufbau ähnlicher Systeme benötigen.

Ein Vorteil des Datenerfassungsssystems Genesis HighSpeed von HBM ist, dass es die kleine Amplitudenspannung ebenfalls genau erfassen kann, da es mit einer Hochgeschwindigkeits A/D-Karte ausgestattet ist. Das Datenerfassungssystem muss über einen hohen Frequenzgang verfügen, um das Signal, das gewöhnlich weniger als eine Millisekunde andauert, erfassen zu können. Grundsätzlich sollte der minimale Frequenzgang aller Komponenten des Datenerfassungssystems 2 MHz für die Daten von Dehnungsmessstreifen und 100 kHz für die Aufheizdaten betragen.

Bei den Versuchen mit dem Split Hopkinson Bar des NIST ist der Einsatz von Dehnungsmessstreifen Stand der Technik für Dehnungsmessungen an den Stäben. Üblicherweise werden zwei Dehnungsmessstreifen symmetrisch auf der Oberfläche der Stäbe über den gesamten Durchmesser installiert. Mit Hilfe von auf Incident und Transmission Bar mittig installierten Dehnungsmessstreifen und unter Verwendung der eindimensionalen elastischen Wellenanalyse erhält man das Spannungs/Dehnungs-Verhalten der Werkstoffprobe. Die Signale der Dehnungsmessstreifen werden mit einer Wheatstone Brücke verarbeitet. Typischerweise weist die Ausgangsspannung der Wheatstone Brücke in diesen Versuchen eine kleine Amplitude in der Größenordnung von einigen Millivolt auf.

Die beiden Sätze von linearen Standard-Dehnungsmessstreifen werden als Vollbrücke angeschlossen. Die vorgeschalteten Dehnungsmessstreifen erfüllen zwei Aufgaben: sie messen die auf den Werkstoff wirkende Dehnung sowie die reflektierte Dehnung, die vom Belastungsimpuls beim Auftreffen auf die Werkstoffprobe zurückgegeben wird. Der nachgeschaltete Dehnungsmessstreifen erfasst die übertragene Dehnung, die durch den Werkstoff und in den zweiten Abschnitt des Split Hopkinson Bar des NIST geleitet wird.

Ein weiterer Vorteil des Datenerfassungssystems Genesis HighSpeed ist seine Benutzerfreundlichkeit und dass die Software einfach modifiziert werden kann, um die speziellen Anforderungen nahezu jeder Anwendung zu erfüllen. Das Datenerfassungssystem Genesis HighSpeed zusammen mit dem Wissen der HBM-Experten im Bereich Dehnung und Dehnungsmessstreifen versetzt das Unternehmen in die Lage, seinen Kunden eine einzigartige Kombination von Fachkompetenzen zu bieten.

Datenanalyse leicht gemacht

Ursprünglich analysierten Ingenieure die Daten ähnlicher Versuche mit Hilfe statischer, prozeduraler Skripts in Programmiersprachen wie Fortran oder Matlab. Genesis HighSpeed und die zugehörige Software von HBM, die hervorragende Benutzeroberflächen bieten, geben den Ingenieuren jedoch neue Werkzeuge an die Hand.

Zusätzlich tendierten die Ingenieure dazu, Versuche durchzuführen, die Daten auszuwerten und dann lediglich die verarbeiteten Daten zur Verfügung zu stellen. HBM jedoch bietet eine umfangreiche relationale Datenbank, in der Wissenschaftler die Originaldaten zusammen mit Verarbeitungsparametern speichern und die Daten bei Bedarf in Echtzeit erneut verarbeiten können. Dies ist sehr hilfreich für das Erstellen von Spannungs/Dehnungs-Kurven auf der Basis von Split Hopkinson Bar-Daten. Mit dem System Genesis HighSpeed sind die Daten über ein Netzwerk über einen File-Server zugreifbar oder können auf einem Laptop installiert und im autarken Betrieb verwendet werden, sodass die gesamte Versuchsaufzeichnung jederzeit wieder abgefragt werden kann.

Ein Beispiel für den hohen Nutzen dieses Features ist Data PADS für die interaktive Neuberechnung von Spannungs/Dehnungs-Verhältnissen und anderen Datenkurven unter verschiedenen Annahmen durch Speichern sowohl der DMS-Rohdaten als auch der Metadaten, die beschreiben wie die DMS-Daten verarbeitet werden sollen. Das vom NIST entwickelte Data PADS enthält auch eine Datenbank zur Abfrage von Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeits- und Wärmebildkamera, Daten von Hochgeschwindigkeits-Pyrometern, Sensordaten zur Geschwindigkeit des Projektils sowie Fachaufsätzen und zugehörigen Informationen. Darüber hinaus muss die Software mehreren Anwendern den Zugriff ermöglichen, die mit dem System in unterschiedlichen Konfigurationen verschiedene Versuche durchführen.

Zusätzlich zu den normalen, eindimensionalen Daten wie Kalibrierkonstanten und Versuchsbedingungen liefert der Split Hopkinson Bar des NIST-Systems eine Vielzahl sowohl zweidimensionaler Daten wie Strom, Temperatur, Position des Projektils als auch DMS-Daten über der Zeit. Ebenso können dreidimensionale Daten wie Wärmebilder und Bilder des sichtbaren Lichts über der Zeit erzeugt werden, um einen umfassenden Datenbereich zu liefern.

Fazit

Durch Einsatz des NIST-Systems mit dem Split Hopkinson Bar können nun grundlegende Fragestellungen der Spanbildung simuliert werden. Während der Zerspanung interagiert das Werkstück unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen mit dem Schneidwerkzeug. Es kommt zu großen plastischen Verformungen bei einer sehr hohen Dehnrate, und zwar sowohl in der dünnen primären Scherzone also auch in der sekundären Scherzone entlang der Schnittstelle zwischen Werkzeug und Werkstück, während das gerade geschnittene Material an der Werkzeugoberfläche entlang gleitet.

Bei einigen Werkstoffen kann die Temperatur während des Schneiden mit hoher Geschwindigkeit nahe an die Schmelztemperatur heran kommen. Durch die Entwicklung benutzerfreundlicher Softwarepakete für die FEM-Analyse sind bereits deutliche Fortschritte für Modellierung und Simulation erzielt worden; das neu entwickelte NIST-System mit dem Split Hopkinson Bar bietet darüber hinaus höhere Genauigkeit und Zuverlässigkeit in Modellierung und Simulation von Bearbeitungsprozessen, um so den den Forderungen nach verbesserten Werkstoffeigenschaften gerecht zu werden.