Hygienisches Design ist Pflicht Hygienisches Design ist Pflicht | HBM

Hygienisches Design von Wägezellen und Anlagen für die Lebensmittel-, Pharma- und chemische Prozessindustrie

Die Anforderungen an Produktions- und Verpackungsanlagen in der Lebensmittelindustrie haben sich in der jüngeren Vergangenheit grundlegend gewandelt. Das liegt zum einen an der zunehmenden Automatisierung von Anlagen. Zum anderen hat sich das Kundenverhalten verändert, und es werden vermehrt frische Produkte ohne Konservierungsstoffe nachgefragt. Die Gestaltung von Produktionsumgebungen unter hygienischen Gesichtspunkten wird folglich immer wichtiger für die Sicherheit der Konsumenten.

Hygienisches Design gibt Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen wenig Möglichkeiten, sich festzusetzen und zu vermehren. Zudem ermöglicht es eine schnelle und gründliche Reinigung der Anlagen, was die Risken der Kreuzkontaminierung – auch etwa zwischen unterschiedlichen Medikamenten – sowie die Stillstandzeiten auf ein Minimum reduziert.

Für die hygienische Gestaltung von Anlagen benötigen Konstrukteure neben fundiertem technischem Know-how auch Verständnis für Mikrobiologie. Neben Eigenschaften und Größe der Mikroorganismen, sind vor allem ihr Verhalten an Oberflächen, sowie ihr Wachstum in Spalten und Toträumen von Interesse.

Mikroorganismen aus dem Prozess ausschließen

Verbraucher wünschen sich möglichst frische, unbehandelte Lebensmittel ohne Konservierungsstoffe, wie beispielsweise Smoothies aus püriertem Obst und frischen Obstsäften. Um solche Convenience-Produkte realisieren zu können, muss man den Eintrag von Mikroorganismen während des Produktionsprozesses weitgehend ausschließen.

Um eine möglichst hygienische Produktionsumgebung in der Lebensmittelproduktion zu gewährleisten, müssen die eingesetzten Anlagen und Komponenten gewisse Anforderungen erfüllen. Verschiedene Richtlinien, Gesetze und Organisationen geben den Aktionsrahmen vor. Besondere Beachtung ist dabei der European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG) zu schenken. Der Zusammenschluss von Herstellern, Lebensmittelproduzenten und Forschungsinstituten arbeitet an konkreten Richtlinien, die eine größtmögliche Hygiene bei der Lebensmittelproduktion bezwecken.

European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG)

Die EHEDG wurde 1989 als Expertengemeinschaft mit dem Ziel gegründet, das Bewusstsein für Hygiene bei der Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln zu stärken. Etwa 100 Unternehmen und Institutionen sind in Deutschland Mitglied der EHEDG. Als Hauptaufgabe möchte man zur hygienegerechten Konstruktion und Gestaltung in allen Bereichen der Lebensmittelproduktion beitragen. Die Organisation erarbeitet dafür entsprechende Richtlinien und führt auch Zertifizierungen durch. Außerdem unterstützt die EHEDG die europäische Gesetzgebung und deren Forderung nach hygienischer Handhabung, Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln mit Hilfe von hygienegerechten Maschinen sowie in einem hygienischen Umfeld (EG Richtlinie 2006/42/EG für Maschinen, EN 1672-2 und EN ISO 14159 für Hygieneanforderungen).

Auch HBM ist Mitglied der European Engineering & Design Group.

Grundlegende Anforderungen an das Hygienic Design

Beim Hygienic Design von Anlagen fallen Aspekte der hygienegerechten Gestaltung in Bereichen, in denen ein Kontaminationsrisiko weitestgehend ausgeschlossen ist, weniger ins Gewicht. Wo eine direkte oder indirekte Kontamination von Produkten möglich ist, haben diese Gesichtspunkte jedoch einen umso höheren Stellenwert. Hier gilt es, sämtliche mögliche Problemstellen zu erkennen und zu beseitigen, um hohe Produktsicherheit zu garantieren. Somit werden Anlagen für hygienesensible Anwendungen oder aseptische Verpackung in Bereichen, die in Kontakt mit dem Produkt sind, den Forderungen des Gesetzgebers entsprechend, „leicht reinigbar“ gestaltet.

Die möglichst problemlose Reinigung aller Anlagen und Komponenten wird durch die verwendeten Materialien sowie die Geometrie und Oberflächenstruktur der einzelnen Bauteile bedingt. Darüber hinaus spielt die korrekte Montage (Winkel, Spalten, Toträume) eine erhebliche Rolle. Zudem müssen sich die Anlagen einfach zerlegen, reinigen und anschließend wieder montieren lassen.

Was ist beim hygienischen Anlagendesign zu beachten*?

  • Auswahl und Einsatz geeigneter, zugelassener und gut reinigbarer Werkstoffe mit möglichst hoher Korrosionsbeständigkeit
  • Herstellung ausreichend glatter, hygienegerechter und leicht reinigbarer Oberflächen und Oberflächenstrukturen
  • Minimieren bzw. Optimieren von vermeidbaren sichtbaren Spalten, Vertiefungen oder Vorsprüngen (z.B. an statischen bzw. dynamischen Dichtungen), die sich schlecht reinigen lassen
  • Vermeidung von Poren, Rissen, Spalten und Fehlern jeder Art, auch in nicht sichtbarer Größe, an Oberflächen, festen und beweglichen Fügstellen sowie Lagerungen
  • Strömungsgünstige geometrische Gestaltung von Bauelementen unter weitestgehender Vermeidung von Wirbelbildung durch Ablösungen und Totwasserzonen
  • Vermeiden von nicht oder schlecht reinigbaren Toträumen jeder Art
  • Selbstentleerende bzw. selbsttätig ablaufende Gestaltung aller relevanten Bereiche.

Neben diesen Anforderungen muss auch gewährleistet sein, dass die eingesetzten Werkstoffe physiologisch unbedenklich und lebensmittelverträglich sind.

Aseptische Wägesysteme als Nonplusultra des hygienischen Designs

Hygienisches Anlagendesign ist nicht gleich hygienisches Anlagendesign. So unterscheidet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V., VDMA fünf verschiedene Klassen von Hygienischen Abfüllmaschinen für flüssige und pastöse Nahrungsmittel. Aseptikmaschinen bilden das obere Ende der Skala und müssen somit wesentlich strengere Anforderungen erfüllen als nur „hygienisch gestaltete“, ”semiaseptische” Anlagen oder ”Ultra-Clean-Ausführungen”.

Die jeweiligen Anforderungen richten sich hauptsächlich nach dem zu verarbeitenden Produkt. Für die Abfüll- und Verpackungsanlagen von Säften, Nektaren und flüssigen Molkereiprodukten sind sie besonders strikt. Hier muss die Vermeidung einer Kontamination der Produkte ohne den Einsatz von Konservierungsstoffen und aggressiven Reinigungsmitteln gewährleistet sein.

Hygienic Design-Leitlinien der EHEDG helfen Unternehmen mit Grundsätzen der reinigungsgerechten Gestaltung, die bei Konstruktion und Bau von Anlagen zur Herstellung von Lebensmitteln einzuhalten sind. Hier ein Auszug:

Zur Vermeidung von Verunreinigungen dürfen ausschließlich vergütete und elektropolierte Edelstähle mit Ra<0,8um eingesetzt werden. Glatte Oberflächen sollen die Bildung von Belägen und die Haftung von Produktresten verhindern und die Effektivität der Reinigung erhöhen. Selbst Rahmen und Gehäuse müssen aus hochwertigen Edelstählen gefertigt sein, um Korrosion und Kontamination zu vermeiden. Geputzte Schweißnähte sind ebenso verpflichtend, wie eine einfache und bedienerfreundliche Reinigung durch Fahrwerk oder Liftmechanismus. Darüber hinaus sind alle gültigen Anforderungen an das Handling zur leichten Reinigbarkeit zu erfüllen – insbesondere dürfen keine Spalten entstehen.

Diese Anforderungen gelten für das gesamte Wägesystem inklusive aller darin enthaltenen Teile, wie etwa Wägezellen.

Zertifizierung von Komponenten

Die EHEDG führt auch Zertifizierungen durch. Sie bestätigen, dass Komponenten rechtliche Rahmenbedingungen erfüllen und damit für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie geeignet sind. Die Zertifizierungen unterscheiden nach offenen bzw. geschlossenen Prozessen sowie der Reinigung im Prozess bzw. Reinigung mit Zerlegung.

In allen Fällen wird geprüft, inwieweit sich die Komponenten reinigen lassen. Dazu wurden von der EHEDG geeignete Testmethoden entwickelt. Bauteile werden gezielt mit Bakterien verunreinigt, getrocknet und anschließend gereinigt. In einem weiteren Schritt wird mit einem Nährmedium mit pH-Indikator, in dem sich die Bakterien vermehren können, überprüft, ob nach dem Reinigungsprozess noch Bakterien im oder an dem Bauteil verblieben sind. Findet ein Farbumschlag statt, ist dies ein Zeichen dafür, dass trotz Reinigung noch Bakterien vorhanden waren.

Typische von der EHEDG zertifizierte Komponenten umfassen Armaturen, Pumpen und Sensoren. Setzt ein Anlagenbauer Komponenten ein, die ein EHEDG-Zertifikat haben, ist er in der Lage die Anforderungen der EU-Maschinenrichtlinie in Bezug auf Hygiene zu erfüllen.

Hygienische Wägezellen von HBM

Mit PW27A und PW37P umfasst das HBM-Portfolio gleich zwei EHEDG-zertifizierte Plattformwägezellen. Um die hohen Anforderungen an die Reinigbarkeit zu erfüllen, sind sie hermetisch gekapselt und bestehen komplett aus Edelstahl. Das garantiert Verträglichkeit mit sämtlichen gängigen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, die in der Lebensmittel- oder auch in der Pharmaindustrie eingesetzt werden.

Durch ihre Bauform lassen sich PW27A und PW37P zudem besonders einfach reinigen. Bei ihrer Geometrie wurde darauf geachtet, dass sich weder Schmutz noch Produktrückstände ansammeln können.

Die Kennzeichnung der Wägezellen wurde mit einem Laser in die Oberfläche eingraviert, was den sonst üblichen Aufkleber ersetzt, und wiederum die vollständige Reinigung der Oberfläche erleichtert.

In der Lebensmittelindustrie gehört die tägliche Reinigung mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sowie mit Hochdruck-Dampfstrahlern zum Standard. Daher erfüllen die Plattformwägezellen auch die hohe Schutzarten IP68 und IP69K.

Fazit

Hygienisches Design spielt in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie eine immer wichtigere Rolle. Mit den neuen Wägezellen mit EHEDG-Zertifizierung positioniert sich der Sensorik- und Messtechnikspezialist HBM als Lieferant für anspruchsvolle Anwendungen im Food- und Pharmabereich. Der Anlagenbauer, der die Wägezellen in seine Anwendungen integriert, hat die Sicherheit, relevante gesetzliche Vorgaben zu erfüllen.

 

*Quelle: Dr. Ing. Gerhard Hauser “Hygiene” in “Handbuch der Fülltechnik”, Behr’s Verlag, Hamburg 2004