Piezoelektrische oder DMS-basierte Kraftaufnehmer? Piezoelektrische oder DMS-basierte Kraftaufnehmer? | HBM

Die Qual der Wahl: Piezoelektrische oder DMS-basierte Kraftaufnehmer?

In der Kraftmesstechnik haben sich zwei Prinzipien durchgesetzt: Piezoelektrische Sensoren und Kraftaufnehmer, die auf Basis von Dehnungsmessstreifen (DMS) arbeiten. Wann ist welches Prinzip die erste Wahl?

1. Technische Grundlagen

Kraftaufnehmer, die auf Basis von Dehnungsmessstreifen arbeiten, bestehen immer aus einem Federkörper, in den die Kraft eingeleitet wird. Diese Kraft führt zu einer minimalen Verformung des Federkörpers. An geeigneter Stelle sind DMS aufgeklebt, die gedehnt werden und deshalb ihren elektrischen Widerstand ändern. Mindestens vier solcher DMS sind zu einer Wheatstoneschen Brückenschaltung zusammengeschaltet. Speist man diese Messbrücke mit einer Spannung, so ergibt sich eine Ausgangsspannung, die proportional zur eingeleiteten Kraft ist.

Piezoelektrische Sensoren bestehen aus zwei Kristallscheiben, zwischen denen eine Elektrodenfolie montiert ist. Unter Einwirkung einer Kraft entsteht eine Ladung, die mittels eines Ladungsverstärkers nachgewiesen werden kann. Die Ladung ist proportional zur anliegenden Kraft.

2. Welches Sensorprinzip ist für welche Applikation geeignet?

Statische Monitoringaufgaben

Auf Dehnungsmessstreifen basierende Sensoren arbeiten weitestgehend driftfrei und sind deshalb für langfristige Monitoringaufgaben besonders gut geeignet. Das sogenannte Kriechen - die zeitabhängige, aber reversible Änderung des Ausgangssignals bei konstant einwirkender Kraft - ist außerordentlich gering, da es sich über geschickte Wahl des Layouts der Dehnungmessstreifen minimieren lässt. Moderne HBM-Sensoren, wie z. B. S2M, erreichen Kriechwerte von unter 200 ppm relativ zum Messwert - ein Fehler, der in vielen Anwendungen vernachlässigt werden kann.

Piezoelektrische Kraftsensoren weisen prinzipbedingt eine Drift auf, überschlägig kann man von 1 N/min ausgehen, wenn die Messkette eingelaufen ist. Da dieser Wert unabhängig von der gemessenen Kraft gleich bleibt, ist der relative Messfehler, der durch die Drift verursacht wird, immer dann besonders ungünstig, wenn kleine Kräfte über einen langen Zeitraum gemessen werden sollen.

Dynamische Kraftmessungen

Piezoelektrische Sensoren weisen bei Belastung eine sehr geringe Verformung auf - sie sind sehr steif. Hieraus ergibt sich eine hohe Resonanzfrequenz, die grundsätzlich sehr günstig für dynamische Anwendungen ist. Allerdings ist die gesamte Messkette entscheidend für die dynamischen Eigenschaften. Hier gilt es zu beachten, dass die Montageteile, die verwendet werden, um den Sensor zu montieren, zusätzliche Masse aufweisen, die natürlich die Gesamtmasse des Systems und damit die Grenzfrequenz beeinflussen. Hinzu kommt, dass viele Ladungsverstärker eine Bandbreite aufweisen, die von der Ladung abhängt und damit von der Kraft, die gemessen wird. Große Kräfte führen zu großen Ladungen, und diese zu eingeschränkter Bandbreite.

DMS-basierte Systeme erreichen immer dann höhere Grenzfrequenzen, wenn die Nennkraft der Aufnehmer größer wird. Kraftaufnehmer für kleine Kräfte sind prinzipiell weiche Federn - entsprechend niedrig ist die Resonanzfrequenz des Aufnehmers. Im Einzelfall muss das Datenblatt zu Rate gezogen werden, jedoch gilt: Schnelle Messungen von kleinen Kräften sind die Domäne der piezoelektrischen Sensoren, bei großen Kräften sind DMS-basierte Kraftaufnehmer oftmals überlegen.

Kalibrieraufgaben

Die Schaltung, die zur Verbindung der DMS verwendet wird, erlaubt es, zahlreiche Fehlerleinflüsse zu kompensieren. Neben den Temperatureffekten auf Nullpunkt und Empfindlichkeit gehören auch die Linearität von Aufnehmern oder der Biegemomenteinfluss dazu. Darüber hinaus erlauben es DMS-Sensoren, statisch sehr präzise kalibriert zu werden. Federkörper lassen sich zudem auf optimale Reproduzierbarkeit auslegen. Das alles führt dazu, dass im Bereich der Referenzkraftmessung ausschließlich DMS-basierte Kraftaufnehmer eingesetzt werden.

Hohe Vorlast

Piezoelektrische Sensoren erzeugen unter Last eine Ladung, die bei Bedarf kurzgeschlossen werden kann.  Damit ist der Eingang des Ladungsverstärkers im gleichen Zustand wie bei der Kraft ‚Null‘. Folge ist, dass auch hohe Vorlasten keinen Einfluss auf den Eingangsbereich des Ladungsverstärkers haben. Es ist also mit der Technologie der piezoelektrischen Aufnehmer möglich, auch unter ungünstigen Bedingungen noch mit höchster Auflösung zu messen.

In rauer Umgebung

Einige DMS-basierte Aufnehmer erreichen die Schutzart IP68 (S9M, U10M mit Kabel-Option). Durch hermetisch verschweißte Gehäuse sind die empfindlichen Dehnungmessstreifen geschützt. Dadurch lassen sind solche Aufnehmer auch unter ungünstigen Umgebungsbedingungen einsetzen.

Für piezoelektrische Aufnehmer stehen Ladungskabel zur Verfügung, die mittels einer Dichtung sicher mit dem Gehäuse des Sensors abschließen und so eine hohe Betriebssicherheit gewähren. (KAB145-3)

Bei hohen Anforderungen an die Genauigkeit

Moderne Kraftaufnehmer erreichen sehr hohe Genauigkeiten, insbesondere  DMS-basierte Aufnehmer, die mit Einzelfehlern von 200 ppm glänzen. Dies gilt für industrielle Standardprodukte, Kraftaufnehmer für Kalibrierzwecke (z.B. HBM Toptransfer) erreichen durchweg kleinere Einzelfehler. Piezoelektrische Sensoren weisen einen etwas höheren Linearitätsfehler auf, in der Regel 0,5 % bezogen auf den Endwert. Natürlich sind sie auch durch die hohe Drift begrenzt. Durch Kalibrierung im Kraftbereich, in dem später gearbeitet werden muss, lässt sich ein erheblicher Genauigkeitsgewinn realisieren.

Wenn es eng wird

Piezoelektrische Kraftsensoren lassen sich ungemein kompakt bauen – z. B. die Serie CLP mit Bauhöhen von unter 4 mm. Daher sind solche Sensoren optimal geeignet, wenn es darum geht die Sensorik in vorhandenen Strukturen zu integrieren. Hinsichtlich der erreichbaren Präzision sind Kompromisse zu schließen, jedoch steht in vielen Anwendungen die Forderung nach sehr kleinen Abmessungen im Vordergrund.