Echtzeit-Datenerfassung zur Überwachung von Rumpfgewicht Echtzeit-Datenerfassung zur Überwachung von Rumpfgewicht | HBM

Überwachung von Rumpfgewicht und -dicke beim Bootsbau - durch Echtzeit-Datenerfassung und Steuerungssystem

Im hart umkämpften Markt der Freizeit- und Sportboote ist es sowohl unter dem Aspekt der Kundenzufriedenheit als auch unter dem der Kosten von entscheidender Bedeutung, durchgängig Produkte zu liefern, die den veröffentlichten Spezifikationen genau entsprechen. Zu den wichtigsten technischen Daten gehört das Gewicht eines Bootes. Ebenso wichtig zur Vermeidung von Konstruktionsfehlern ist die richtige Gewichtsverteilung. Die Ingenieure des Bereichs für hoch entwickelte Verbundwerkstoffe der Brunswick-Gruppe beschäftigen sich mit der Entwicklung und Weiterentwicklung von Werkzeugen für die Datenerfassung und Steuerung. Diese geben den Herstellern von Bootsrümpfen und anderen Bauteilen im Glasfaser-Spritzgussverfahren wichtige Rückmeldungen, um das Gewicht eines fertiggestellten Bootes nicht unnötig zu erhöhen und sicherzustellen, dass überall so viel Glasfaser aufgebracht wird wie vorgesehen.

Der Glasfaser-Bootsrumpf

Um das von den Ingenieuren der Brunwick-Marke Sea Ray entwickelte MMS (Material Monitoring System - System für die Überwachung des Materialverbrauchs) für die Datenerfassung und -Steuerung zu verstehen, muss man sich zunächst über den im Unternehmen etablierten Prozess zur Herstellung von Bootsrümpfen oder anderen Teilen aus Glasfaser klar werden. Teile werden mithilfe einer Negativform in Form gebracht; für die größten Jachten von Sea Ray kann diese Form bis zu 18 m lang, knapp 5 m breit und 3 m tief sein; der Rumpf einer Jacht sollte am Ende ca. 6300 kg wiegen. Der erste Prozessschritt ist das Aufbringen einer dünnen Schicht Trennlack von Hand, die später das Lösen des fertiggestellten Rumpfes aus der Form ermöglicht, ähnlich dem Lösen eines Eiswürfels aus dem Eiswürfelbereiter. Ein mit Farbpigmenten eingefärbtes Kunstharz-Gelcoat wird in die Form gespritzt, was dem Rumpf seine glatte Oberfläche, Farbtiefe und Hochglanz verleiht.

Der nächste - und kritischste - Schritt ist das Aufbringen der richtigen Menge „Kurzfaser-Spritzguss“ auf das Teil in genau definierten Lagen. Eine Glasfaser-Häckselpistole zerhackt eine Endlosglasfaser in einzelne, spritzbare Stücke von 10 bis 40 Millimetern Länge und vermischt sie anschließend mit wärmehärtendem Vinylester- oder Polyesterharz zum Aufbringen auf das Gelcoat. Ohne konkrete Rückmeldung zu den für jeden Abschnitt verbrauchten Mengen an Glasfaser und Kunstharz hing die Qualität des Kurzfaser-Spritzprozesses teilweise von der Fähigkeit des einzelnen Mitarbeiters ab, die Menge des aufgebrachten Materials visuell abzuschätzen. Dadurch war es schwer sicherzustellen, dass auf jeden Abschnitt des Rumpfes exakt die geplante Menge an Glasfaser aufgebracht wurde. Das Aufspritzen einer zu großen Menge erhöhte nicht nur das Gewicht, sondern bedeutete auch eine Verschwendung von Glasfaser und Kunstharz.

Die Herausforderung: Ein neues System für die Überwachung des Materialverbrauchs

Sean Minogue, Konstruktionsingenieur im Bereich Produktentwicklung und Maschinenbau bei Sea Ray, kam 2012 mit an Bord. Seine Aufgabe war die Modernisierung einer Vielzahl von Werkstattprozessen in den Anlagen von Brunswick, in Hinblick auf Kosten- und Gewichtseinsparungen und die Möglichkeit, Boote mit höheren Toleranzen zu bauen. Die bisher zur Überwachung des Glasfaser- und Kunstharzverbrauchs eingesetzten Methoden waren eher suboptimal. So war beispielsweise die Überwachung der Umdrehungen eines Rades, um das die Glasfaserfäden gewickelt werden, erforderlich, um nachvollziehen zu können, wie viel Glasfaser verbraucht wurde. Der Kunstharzverbrauch wurde auf Grundlage der Ausgabe eines an eine Pneumatikpumpe angebundenen Hubzählers berechnet. Selbst wenn beide Geräte funktionierten, arbeiteten sie weder besonders wirkungsvoll noch genau.

In seinem Vorschlag für ein neues System erläuterte Minogue: „Das System soll den Verbrauch von Kunstharz, Kurzfasern und anderem Schüttgut pro Teil nachvollziehbar machen. Der Vergleich des Verbrauchs mit den Bedarfsdaten in Echtzeit gibt uns nun die dringend benötigte Sicht auf unsere laufenden Arbeiten. Das System ist erweiterbar und ermöglicht das Herausziehen vieler Größen wie beispielsweise von Zuggewichtsdaten, Artikelnummern, Arbeitsstunden, Härtezyklen, Taktzeiten (durchschnittliche Dauer vom Produktionsstart einer Einheit bis zum Produktionsstart der nächsten Einheit), Historie der Gewichtsdaten. Der größte Vorteil ist jedoch, dass es den Bedienern Zieldaten live zur Verfügung stellt.

Das Herz des neuen Systems für die Überwachung des Materialverbrauchs: Das modulare Messverstärkersystem PMX

Mit dem neuen MMS von Sea Ray, das gerade die letzten Phasen eines einjährigen Betatests in der Jacht-Produktionslinie durchläuft, benötigt man heute weder Rad noch Hubzähler. Stattdessen nutzt Minogue ein PMX-Signalverarbeitungssystem (Abb.1) mit Anbindung an die Wägezellen einer hochgenauen Waage an einer Palette mit den Glasfaserspulen sowie an einen Durchflussgeber mit Anschluss an ein Durchflussmessgerät, das die Kunstharzmenge steuert, die an jede der beiden Glasfaser-Häckselpistolen geht. Ein Laminierungs-Monitor (Abb. 2), ein kundenspezifisches Power-over-Ethernet-System mit angeschlossenen Honeywell-Barcodescannern, stellt den Mitarbeitern, die den Kurzfaser-Spritzguss ausführen, ständig aktuelle Fortschrittsberichte zur Verfügung. Jeder Mitarbeiter scannt einfach den zum jeweiligen Abschnitt des Rumpfes gehörigen, auf dem Bildschirm des Laminierungs-Monitors angezeigten Barcode ein. Wenn der Mitarbeiter den Auslöser der Häckselpistole zieht, zeigt der Laminierungs-Monitor den Materialverbrauch an und vergleicht ihn in Echtzeit mit der spezifizierten Menge.

Das System für die Überwachung der Laminierung, das von DragonPoint Software, Inc. speziell entwickelt wurde, stellt den Betriebsleitern Status-Updates zum Arbeitsfortschritt zur Verfügung, aktualisiert die Bestände, etc. und erstellt Ergebnisberichte für Anlagentechnik und Qualitätsdatenbank (Abb. 3).

Verschiedene Faktoren haben Minogue dazu bewogen, sich für eine Lösung mit modularer Signalaufbereitung als Grundlage für sein MMS zu entscheiden. Ursprünglich hatte er in Betracht gezogen, einzelne Signalwandler zum Einlesen der Signale der Analoggeräte einzusetzen, vor allem weil diese leicht erhältlich und kostengünstig sind. Dann stellte sich jedoch heraus, dass es gute Gründe dafür gab, ein flexibles System zu wählen, um weitere Signalkanäle für zusätzliche Geräte zum Messen des Verbrauchs von Gelcoat, Temperatur, Feuchtigkeit oder anderen Faktoren ergänzen zu können. Wenn nur Gewichts- und Durchflusssignale gemessen werden, kann ein einzelnes PMX-System mit 16 Kanälen acht Häckselpistolen erfassen. Minogue erklärt: „Wir arbeiten seit Jahren in unseren Prüflabors mit den robusten mobilen Datenerfassungsgeräten von HBM Somat, daher wusste ich ziemlich genau, was sie können und was nicht. Ich schaute mir das PMX genauer an, da ich ein Gerät brauchte, das ziemlich weit fortgeschritten war und über eine eingebaute Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung zum Aufbau einer Datenbank zum Lesen der Signale aller Geräte verfügte.“

Das MMS von Minogue hat sich im Laufe der einjährigen Betatests in den Produktionslinien der Sea Ray-Jachten im Werk in Merritt Island als außerordentlich wertvoll erwiesen, hilft es doch den Mitarbeitern, Materialkosten zu reduzieren, durch erweiterte Prozesssteuerung effizienter zu arbeiten und die Gewichtsvorgaben für die Fertigteile einzuhalten. Beim Rumpf der Sea Ray 590 konnten durch den Einsatz dieser Technologie gut 450 kg an Kurzfasern und Kunstharz eingespart werden. Über die nächsten zwei Jahre soll das MMS auch an weiteren Fertigungsstandorten von Brunswick in den Produktionslinien für die Modelle Bayliner, Boston Whaler und andere Sea Ray-Boote eingeführt werden.