Temperaturkompensation bei Dehnungsmessstreifen-Messungen Temperaturkompensation bei Dehnungsmessstreifen-Messungen | HBM

Messen mit Dehnungsmessstreifen: So vermeiden Sie unerwünschte Temperatureinflüsse auf Ihr Messergebnis

Temperaturänderungen während einer Messung mit Dehnungsmessstreifen können immer wieder unerwünschte Auswirkungen auf das Messergebnis haben. Mit der „richtigen“ – also für die Anwendung passenden – Wahl des Dehnungsmessstreifens, dem Ausnutzen der Effekte der Wheatstonebücke bei einer Halb- oder Vollbrücke, aber auch rechnerischen Methoden stehen glücklicherweise verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die unerwünschten Temperatureinflüsse weitgehend zu kompensieren.

Bitte beachten Sie: Folien-Dehnungsmessstreifen sind durch die verwendeten Materialien in ihrem Temperaturbereich beschränkt. Das Maximum liegt bei ca. 300°C bis 400°C. Soll bei höheren Temperaturen gemessen werden, muss auf Hoch-Temperatur-Dehnungsmessstreifen zurückgegriffen werden, die nach anderen Prinzipien arbeiten. Temperaturgrenzen von HBM-Dehnungsmessstreifen liegen bei:

  • Vorverkabelte DMS: 150°C
  • Y- & G-Serie: 200°C
  • C-Serie: 250°C
  • M-Serie: 300°C

Außerdem ist auch die Temperaturgrenze des eingesetzten Klebstoffs zu beachten. Wird ein Klebstoff mit steigender Temperatur zu weich, wird die Dehnung nicht mehr zu 100 Prozent übertragen. Daher sind die Temperaturgrenzen der Klebstoffe einzuhalten. Bei den Klebstoffen unterscheiden wir zwischen kalt- und heißhärtenden Produkten: Je nachdem, ob zum Aushärten die Raumtemperatur ausreicht, oder ob ein Ofen notwendig ist. Die Temperaturgrenzen der von HBM angebotenen Klebstoffesind:

  • X60: 60°C
  • Z70: 120°C
  • P250: 250°C
  • X280: 280°C
  • EP310N: 310°C

Überblick: Welche Größen sich temperaturbedingt ändern und was Sie dagegen tun können

Einflussgröße

Mögliche Kompensationsmaßnahme

MaterialausdehnungNutzung selbstkompensierender Dehnungsmessstreifen
KabelwiderstandEinsatz von Mehrleitertechnik
Temperaturkoeffizient des k-FaktorsSehr gering, wird meist ignoriert. Rechnerische Kompensation bei gleichzeitiger Messung der Temperatur möglich.
Temperaturabhängigkeit E-ModulWird meist vernachlässigt
Außerdem sind folgende Punkte relevant, die ebenfalls mit der Temperatur zusammenhängen können:
Eigenerwärmung des DehnungsmessstreifensEinhalten der maximalen Speisespannung
Klima/LuftfeuchtigkeitSorgfältige Abdeckung der Messstelle
Kriechen des KlebstoffesEinhaltung der Temperaturgrenzen der verwendeten Klebstoffe

1. Einflussgrößen

Diese zwei Einflussgrößen sollten Sie ganz besonders beachten:

  • Die Materialausdehnung („scheinbare Dehnung“)
  • Einflüsse resultierend aus dem Widerstand des Messkabels.

Neben diesen beiden Hauptfaktoren gibt es weitere Einflussgrößen, bei denen Temperatureffekte zum Tragen kommen. Diese Einflüsse sind in Summe aber eher zu vernachlässigen, und meist durch eine rechnerische Kompensation lösbar (siehe Erläuterung der Kompensationsmaßnahmen weiter unten).

1.1 Materialausdehnung („scheinbare Dehnung“)

Materialien, an denen gemessen wird, dehnen sich bei zunehmender Temperatur aus. Diese Ausdehnung wird durch den Materialausdehnungskoeffizienten α beschrieben. Der Wert ist abhängig vom Material, und liegt bei Stahl zum Beispiel bei ca. 11 ppm/K – die Ausdehnung beträgt also 11 µm/m bei einem Temperaturunterschied von plus/minus einem Grad Celsius. Die durch Temperaturänderungen beeinflusste Materialausdehnung bewirkt letztendlich die Messung einer „scheinbaren“ Dehnung, also einer Dehnung ohne Last.

Volumenänderung

Temperaturkompensation bei Dehnungsmessstreifen-Messungen

Die bestmögliche Gegenmaßnahme bildet hier die Verwendung selbstkompensierender Dehnungsmessstreifen. Diese sind in ihrem Temperaturverhalten so an ein bestimmtes Material angepasst, dass sie die scheinbare Dehnung (also die Temperaturausdehnung des Messkörpers) ausgleichen.

1.2 Kabelwiderstand

Temperaturkompensation bei DehnungsmessungenBei Verwendung einer Zwei-Leiter-Schaltung (siehe Grafik) addiert sich der Widerstand eines Messkabels zu dem des Dehnungsmessstreifens – und fließt somit in die Messung mit ein. Neben der daraus resultierenden Nullpunktverschiebung  und Reduktion des effektiven k-Faktors ist der Widerstand des Messkabels auch noch temperaturabhängig. Eine geeignete Gegenmaßnahme ist der Einsatz von Mehrleitertechnik, wie er weiter unten beschrieben wird.

1.3 Temperaturkoeffizient des k-Faktors

Der k-Faktor ist die wichtigste Eigenschaft des Dehnungsmessstreifens. Er beschreibt den Zusammenhang zwischen Dehnung und Widerstandsänderung. Der k-Faktor ist temperaturabhängig.  Mit typischen Temperaturkoeffizienten des k-Faktors von  0,01 %/K ist dessen verfälschender Einfluss auf das Messergebnis üblicherweise relativ klein und wird deshalb meistens ignoriert. Machbar ist jedoch auch eine rechnerische Kompensation (bei Messung der Temperatur).

Temperaturkoeffizient des k-Faktors

1.4 Temperaturabhängigkeit des E-Moduls

Das E-Modul ist eine materialabhängige Eigenschaft des Messkörpers. Es beschreibt den Zusammenhang zwischen der gemessenen Dehnung und der mechanischen Spannung. Das E-Modul ist temperaturabhängig. Ein typischer Wert für Stahl beträgt hier ca. -0,02%/K. In der experimentellen Spannungsanalyse wird der Einfluss des E-Moduls üblicherweise vernachlässigt. Bei hochpräzisen, kalibrierbaren Aufnehmern erfolgt die Kompensation mittels temperaturabhängigen Nickelelementen in der Brücke.

Temperaturabhängigkeit des E-Moduls

1.5 Eigenerwärmung des Dehnungsmessstreifens

Durch die Speisespannung erwärmt sich der Dehnungsmessstreifen gegenüber dem Messkörper. Je nach Wärmeleitfähigkeit des Messkörpers wird die Wärmeleistung mehr oder weniger an den Messkörper abgegeben. Bei schlecht wärmeleitenden Messkörpern kann es somit zu einem Temperaturunterschied zwischen Messkörper und Dehnungsmessstreifen kommen. Dies stört womöglich die Funktionsweise eines selbstkompensierenden Dehnungsmessstreifens. Beim Einhalten der maximalen Speisespannung ist dieser Effekt aber so gering, dass er vernachlässigt werden kann.

Eigenerwärmung des Dehnungsmessstreifens

1.6 Klima und Luftfeuchtigkeit

Bei einem unzureichenden Schutz der Messstelle kann eine Drift des Nullpunktes abhängig von der Luftfeuchtigkeit auftreten. Hintergrund ist die Aufnahme von Wassermolekülen des Klebstoffes und Dehnungsmessstreifen-Trägermaterials (Hygroskopie). Gegenmaßnahme bildet hier die sorgfältige Abdeckung der Messstelle.

1.7 Kriechen des Klebstoffs

Mit zunehmender Temperatur werden Klebstoffe weich und können die Dehnung nicht mehr zu 100% übertragen. Damit sind sie vergleichbar mit einem sinkenden k-Faktor. Daher ist es wichtig, immer die Temperaturgrenzen des Klebstoffs einzuhalten und diesen entsprechend des Einsatzbereichs auszuwählen.

2. Kompensationsmaßnahmen

2.1 Verwendung selbstkompensierender Dehnungsmessstreifen

Selbstkompensierende Dehnungsmessstreifen werden speziell entwickelt, um das Temperaturverhalten bestimmter Materialien durch ihr eigenes zu kompensieren. Das bedeutet, dass sie der scheinbaren Dehnung (also der Temperaturausdehnung des Messkörpers) entgegenwirken. Der Dehnungsmessstreifen wird daher mit einer Temperaturanpassung passend zum Material des Messkörpers ausgewählt.

Temperaturanpassungen für gängige Materialien bei selbstkompensierenden Dehnungsmessstreifen:

CodeMaterial (Beispiele)α (·10-6 / °K)
1Ferritischer Stahl 10.8
3Aluminium 23
5Austenitischer Stahl 16
6 Quarzglas / Komposit 0.5
7 Titan / Grauguss 9.0
8 Kunststoff 65
9 Molybdän 5.4

 

Durch die materialangepasste Auswahl des Dehnungsmessstreifens wird der Löwenanteil der scheinbaren Dehnung kompensiert. Es bleibt aber ein Restfehler erhalten (nicht-linearer Anteil). Dieser Fehler wird bei der Produktion ermittelt und ist Bestandteil des Datenblattes (siehe Abbildung). Für weitergehende Berechnungen, z.B. bei größeren Temperaturänderungen, können Sie zudem eine rechnerische Kompensation durchführen (siehe weiter unten).


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2.2 Wheatstone-Brücke und Mehrleiterschaltung

Neben der Nutzung selbstkompensierender Dehnungsmessstreifen gilt die Verschaltung zur Halb- und Vollbrücke, sowie der Einsatz der Drei- oder Vierleiterschaltung als weiteres, wichtiges Kompensationsverfahren, mit dem vor allem der Einfluss des Kabelwidersands minimiert oder sogar komplett aufgehoben werden kann.

Die Wheatstone-Brücke wandelt kleinste Widerstandsänderungen in eine messbare elektrische Spannung um. Die vier Widerstände können durch einen (Viertelbrücke), zwei (Halbbrücke) oder vier (Vollbrücke) Dehnungsmessstreifen ersetzt werden.

Da die einzelnen Zweige in der Wheatstone-Brücke mit unterschiedlichen Vorzeichen einfließen, besteht die Möglichkeit einer Kompensation.

Temperaturkompensation mit der Wheatstone-Brücke Diesen Temperaturkompensationseffekt können wir am Beispiel eines Biegestabs zeigen: Die Biegefeder zeigt bei positiver Belastung eine Dehnung (+) auf der Oberseite und eine Stauchung (-) auf der Unterseite.

Sind hier zwei Dehnungsmessstreifen in einer Wheatstone-Brücke verschaltet, ergibt dies das zweifache Signal. Sollte eine temperaturbedingte Dehnung auftreten, sehen beide Dehnungsmessstreifen diese mit gleichem Vorzeichen, so dass sich die Effekte in der Wheatstone-Brücke gegenseitig aufheben.

Gerade der Einfluss des Kabelwiderstandes kann durch eine Dreileiterschaltung (siehe Grafik) weitestgehend kompensiert werden. Hierfür werden die Zuleitungen durch eine zusätzliche dritte Leitung in unterschiedliche Zweige der Wheatstone-Brücke verschaltet. Da durch die Symmetrie des Aufbaus die beiden Kabel mit unterschiedlichem Vorzeichen in die Gleichung eingehen und sich so gegenseitig ausgleichen, werden die Kabelwiderstände durch die Dreileiterschaltung – außer im Fall unsymmetrischer Kabel und bei Temperaturgradienten – kompensiert.

Sämtliche Kabeleinflüsse werden sogar durch die von HBM patentierte Vierleiterschaltung kompensiert.

2.3 Rechnerische Kompensation

Die rechnerische Kompensation kann für den Restfehler bei selbstkompensierenden Dehnungsmessstreifen, für den Fehler eines nicht oder schlecht angepassten Dehnungsmessstreifens sowie für andere kleine Fehler (z.B. Temperaturabhängigkeit des k-Faktors) durchgeführt werden.

Hierzu wird die Temperatur parallel gemessen und die gemessene Dehnung durch einen online bzw. im Nachhinein berechneten entsprechenden Kanal korrigiert. Zu beachten sind dabei die Temperatur-Gradienten. Gegebenenfalls sind mehrere Messpunkte für die Temperatur vorzusehen. Für die rechnerische Kompensation bieten Software-Tools wie catman® von HBM auch entsprechende Funktionen.

2.4 Einsatz eines Trägerfrequenz-Messverstärkers

Nicht nur dem Sensor selbst, auch dem Messverstärker kommt in der Betrachtung von Temperatureinflüssen eine wichtige Rolle zu. Dies gilt vor allem bei Thermospannungen: Durch thermoelektrischen Effekt entsteht an der Verbindung unterschiedlicher Materialien eine temperaturabhängige, elektrische Spannung. Genutzt wird dieser Effekt bei Thermoelementen. Dies zeigt aber auch Auswirkung auf ein Dehnungsmessstreifen-Messsystem (temperaturabhängige Nullpunktabweichung).

Weitgehend kompensiert werden können Thermospannungen jedoch durch den Einsatz eines Trägerfrequenz-Messverstärkers, wie dem QuantumX MX1615B oder QuantumX MX1616B von HBM. Hier gibt es eine sinusförmige Speisespannung, so dass das Messsignal auf ein periodisches Signal aufmoduliert wird. Die Demodulation erfolgt digital nach einem Bandpassfilter, so dass die quasi-statischen Thermospannungen auf dem Weg zum Messverstärker herausgefiltert werden.

Checkliste: Die wichtigsten Punkte zur Temperaturkompensation von Dehnungsmessstreifen

Je nach Einflussgröße stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, den Einfluss der Temperatureffekte auf das Messergebnis zu minimieren. Hier ist Ihre Checkliste für Messungen mit geringem Temperatureinfluss:

  • Verwenden Sie selbstkompensierende Dehnungsmessstreifen
  • Nutzen Sie eine Wheatstone-Brücke mit Drei-  oder Vierleiterschaltung
  • Nutzen Sie einen Trägerfrequenz-Messverstärker, um Fehler durch Thermospannung weitgehend zu unterdrücken
  • Für die rechnerische Kompensation: Führen Sie eine parallele Temperaturmessung durch
  • Beachten Sie die Temperaturgrenzen der Dehnungsmessstreifen und des Klebers.