Artikel: Wie funktionieren optische Dehnungsmessstreifen? Artikel: Wie funktionieren optische Dehnungsmessstreifen? | HBM

Optische Dehnungsmessstreifen: Alles, was Sie wissen müssen

Optische Dehnungsmessstreifen - auch faseroptische (Dehnungs-) Sensoren oder FOS, optische (Dehnungs-) Sensoren oder Faser-Bragg-Gitter-Sensoren genannt - werden zum Messen von Dehnung eingesetzt, können aber auch ganz einfach in verschiedene Arten von Aufnehmern integriert werden, beispielsweise für Temperatur, Beschleunigung oder Weg. Im Gegensatz zu herkömmlichen elektrischen Dehnungsmessstreifen (DMS) müssen optische DMS nicht mit Spannung versorgt werden. Die Technologie basiert stattdessen auf Licht, das sich durch eine Faser ausbreitet. Die Sensoren sind daher vollständig passiv und unempfindlich, beispielsweise gegenüber elektromagnetischen Störungen. Dies ist nur einer der Gründe dafür, dass optische DMS besser für bestimmte Anwendungen geeignet sind als elektrische.

Übrigens:

Cristina Barbosa, Produktmanagerin für den Geschäftsbereich der optischen Systeme von HBM, hat uns für diesen Artikel erklärt, wie optische DMS funktionieren. Sie sagt: „Wenn man Dehnung messen möchte, denkt man zuerst an elektrische DMS. Optische DMS können sich jedoch dort als nützlich erweisen, wo elektrische DMS nicht funktionieren, beispielsweise aufgrund der Umgebungsbedingungen.“

Aufbau

In diesem Artikel legen wir den Schwerpunkt auf die eigentlichen optischen Dehnungssensoren, bei denen die Faser selbst als Sensor fungiert. Andere Arten von faseroptischen Sensoren nutzen die Faser selbst, um Licht zu übertragen, nicht um mit Licht zu messen.

Eine Glasfaser besteht gewöhnlich aus einer Glas- oder Quarzglasfaser mit einer Kunststoffbeschichtung. Sie ähnelt sehr stark den in der Telekommunikation eingesetzten Glasfasern und kann mehrere Kilometer lang sein, mit vielen über ihre Länge verteilten Messstellen. Die Faser selbst besteht aus zwei Schichten: dem Kern und einem umgebenden Mantel geringerer Dichte. Die Quarzglasfaser ist durch eine Kunststoffbeschichtung rundum geschützt.

Warum ist dieser Unterschied in der Dichte von Kern und Mantel so wichtig? Mit einem Laser wird Licht durch die Faser geschickt. Die zwei Faserwerkstoffe mit unterschiedlicher Dichte erzeugen eine Barriere, die das Licht in der Faser kanalisiert, so dass es nicht streut. Damit dies funktioniert, ist es wichtig, dass die Faser nicht zu stark gebogen wird. „Sie ist flexibel und bricht nicht, an den Biegestellen kann jedoch Licht austreten“, erläutert Produktmanagerin Cristina Barbosa.

Funktionsweise

Die Faser als Sensor

Der eigentliche Dehnungssensor entsteht durch das Einschreiben eines so genannten Faser-Bragg-Gitters (FBG) in die Glasfaser während ihrer Fertigung. Hierbei handelt es sich im Grunde genommen um ein Interferenzmuster, das das Licht anders reflektiert als die übrige Faser. Zum besseren Verständnis kann man sich die Faser als zylindrische Länge eines durchsichtigen Werkstoffs mit einer Reihe dünner Scheiben darin vorstellen. Wenn das Licht eines Lasers auf dieses Muster trifft, werden bestimmte Wellenlängen reflektiert, während andere durchlaufen.

Die Werkstoffinterferenzen – die „Scheiben“ – sind in bestimmten Abständen eingeschrieben. Wenn die Faser gestreckt oder gestaucht, d.h. positiver oder negativer Dehnung ausgesetzt wird, verändern sich diese Abstände. Wird die Faser gestreckt, wird sie länger und die Abstände werden größer und umgekehrt.

Es ist nicht nur so, dass das reflektierte Licht, wenn das Faser-Bragg-Gitter gedehnt wird, für den Rückweg etwas mehr oder etwas weniger Zeit benötigt, zusätzlich ändert sich auch noch die reflektierte Wellenlänge. Wissenschaftlich ausgedrückt, hat das Faser-Bragg-Gitter einen bestimmten Brechungsindex. Der Brechungsindex eines Werkstoffs gibt an wie viel Licht gebeugt oder gebrochen wird, wenn es durch einen Werkstoff hindurchläuft. Verändert sich die Form des Gitters durch Dehnung, so verändert sich auch sein Brechungsindex.

 

„Ein Faser-Bragg-Gitter als Ganzes ist circa 5 Millimeter lang; dabei sind die einzelnen Werkstoffinterferenzen nicht mit bloßem Auge erkennbar, sondern nur unter einem Mikroskop“, erläutert Cristina Barbosa. In eine lange Faser können viele  Faser-Bragg-Gitter eingeschrieben werden – von denen jedes als einzelner Dehnungssensor fungiert.

Wird die Glasfaser auf einen Werkstoff aufgebracht, wird sie zusammen mit diesem Werkstoff gedehnt. Die gemessene Dehnung wiederum ermöglicht eine Analyse der mechanischen Spannung im Werkstoff; dies ist das Ziel der meisten Dehnungsmessungen.

Um ein Beispiel aus der Praxis zu nennen: Eine an den Wänden eines langen Tunnels angebrachte Faser, wird gedehnt, wenn der Werkstoff der Wände einer mechanischen Spannung unterliegt. Dazu kann es durch die von vorbei fahrenden Zügen ausgelösten Schwingungen kommen. Wenn die Wände sich über die Jahre setzen oder sogar Schwachstellen oder Risse entstehen, wird dies durch die mit den Sensoren erfassten Informationen über Dehnung und damit mechanische Spannung sichtbar – ein wertvoller frühzeitiger Hinweis auf erforderliche Wartungsarbeiten.

Die Rolle des Interrogators

Um Messungen durchführen zu können, muss die Glasfaser an einen so genannten Interrogator angeschlossen werden; dieser sendet kontinuierlich Licht in verschiedenen Wellenlängen aus, eine nach der anderen, und deckt ein breites Spektrum ab. Dies bezeichnet man als „Scannen mit durchstimmbarem Laser“. Das Licht breitet sich durch die Faser aus, wird an einem Punkt durch ein Faser-Bragg-Gitter reflektiert und kehrt zum Interrogator zurück.

Dank der unterschiedlichen Perioden der einzelnen FBGs, können die Signale verschiedener Sensoren unterschieden werden. Das restliche Licht wird gebrochen, wenn es das Ende der Faser erreicht, sodass es die Messung nicht stört. Die tatsächliche Dehnung und damit die mechanische Spannung im Werkstoff können von den Rohsignalen des Lichts, das von den FBGs zurückkehrt, abgeleitet werden.

„Zwar gibt es verschiedene Vorgehensweisen beim Messen von Dehnung mit unterschiedlichen Arten von faseroptischen Sensoren, was sie alle gemeinsam haben ist aber, dass sie sich auf irgendeine Art und Weise auf die Eigenschaften des Lichts stützen.“

- Cristina Barbosa

Die Temperaturkompensation ist von entscheidender Bedeutung

Auf Faser-Bragg-Gittern basierende faseroptische Sensoren sind äußerst temperaturempfindlich. Es ist offenkundig, dass die Faser – wie jeder andere Werkstoff – sich ausdehnt, wenn die Temperatur steigt und zusammenzieht, wenn die Temperatur fällt. Auch der Brechungsindex ändert sich. Ohne Kompensation würde in solchen Fällen eine Dehnung gemessen, die nicht durch eine mechanische Spannung sondern durch  Temperaturschwankungen verursacht wurde. Für die Kompensation gibt es einige Verfahren:

  • Installation eines Temperatursensors in der Nähe des Dehnungssensors; dies ermöglicht eine rechnerische Kompensation durch Vergleich der Daten und Abzug des Temperatureinflusses.
  • Anordnung von zwei Faser-Bragg-Gittern in einer Push-Pull-Konfiguration, sodass unter Dehnung einer gestaucht und der andere gestreckt wird. Der Temperatureinfluss ist für beide gleich (z.B. Verlängerung), der Einfluss der mechanischen Spannung ist jedoch unterschiedlich: Für ein FBG ist die Dehnung „positiv“, da es unter Zug steht, für das andere ist die Dehnung „negativ“, da es gestaucht wird. Dies ermöglicht eine rechnerische Kompensation.
  • Kapselung der Faser in einer mechanischen Vorrichtung, die sich in entgegengesetzter Richtung zum geprüften Werkstoff ausdehnt, und zwar so, dass die auf das Faser-Bragg-Gitter aufgebrachte mechanische Spannung den Temperatureinfluss aufhebt und keine rechnerische Kompensation erforderlich ist.

Anwendungen für faseroptische Sensoren

“Im Rahmen des ITER-Projekts in Frankreich müssen unsere Sensoren mit einem sehr weiten Temperaturbereich zurechtkommen, der von ungefähr -270 °C bis 300 °C reicht, wobei sie zusätzlich sehr starken elektromagnetischen Feldern unterliegen. Das schafft kein elektrischer Dehnungsmessstreifen“, sagt Cristina Barbosa, wenn sie eine ihrer Lieblingsanwendungen für optische Dehnungssensoren nennt.

Weniger ausgefallene Anwendungen sind beispielsweise in der Strukturüberwachung zu finden. Da eine einzelne Faser Hunderte von Sensoren aufnehmen kann, ist die optische Sensorik besonders für Großprojekte geeignet, wie beispielsweise das Überwachen von Tunnels oder Pipelines, da die Kosten für Verkabelung und Installation im Vergleich zu herkömmlichen Dehnungsmessstreifen niedriger sind.

Darüber hinaus ist die optische Messtechnik die erste Wahl für alle Anwendungen, bei denen die Spannungsversorgung, die für herkömmliche DMS benötigt wird, zum Problem werden könnte. Dazu gehören Umgebungen mit starken elektromagnetischen Feldern (z.B. im Weltraum) oder hoher Explosionsgefahr (z.B. Ölraffinerien). Oder, in Cristina Barbosas Worten:

„Wo elektrische Dehnungsmessstreifen nicht funktionieren, kann auf optische zurückgegriffen werden.“


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