Das Prinzip der Wägetechnik für Vollautomatisches Abfüllen von Flüssigkeiten
Verpackungsprozesse laufen in vielen Branchen automatisiert ab. Dabei gibt es unterschiedliche Methoden, um am Ende des Prozesses die exakt gewünschte Menge eines Produkts in der entsprechenden Verpackung zu haben: Sortieren für Stückgüter, Dosieren für Schüttgüter und Füllen für Flüssigkeiten. Die Herausforderung bei allen Verfahren: In der Verpackung muss sich die angegebene Menge des Produkts befinden. Ist die Füllmenge etwa in Flaschen zu niedrig, ist das ein Verstoß gegen die EU-Fertigpackungsrichtlinie 76/211/ewg und die deutsche Fertigpackungsverordnung (§22 FPackV). Diese legen fest, um wie viel Prozent die angegebene Mindestfüllmenge pro Produktionscharge unterschritten werden darf. „Fehlverhalten“ kann hier zu Strafen bis zur Produktionsschließung führen.
Deshalb überschreiten Hersteller bei der Produktion oftmals die Mindestmenge in der Verpackung. Doch diese Sicherheitsüberfüllung kann kostspielig sein: Ein chinesischer Milchproduzent etwa füllt rund 100.000 Flaschen Kokosmilch pro Tag ab. Indem er die Sicherheitsüberfüllung der einzelnen Flaschen dank neuer exakter Wägetechnik um wenige Gramm reduzierte, sparte das Unternehmen mehrere Millionen Euro pro Jahr. Hersteller von kompletten Abfüllanlagen sollten deshalb Systeme anbieten, die Füllmengen hoch präzise messen und eine Überfüllung so gering wie möglich halten.
Vier Methoden der Füllmengen-Messung bei Flüssigkeiten
Speziell für Flüssigkeiten haben sich unterschiedliche Methoden zur Füllmengen-Messung entwickelt. Nicht jedes Verfahren ist für alle Flüssigkeiten geeignet – und auch bei der Präzision gibt es erhebliche Unterschiede. Alle Produktionsprozesse haben jedoch eines gemein: Flüssigkeiten strömen nie mit gleichmäßigem Druck durch die Rohrleitungen der Abfüllmaschine. Die Dichte kann etwa aufgrund von in der Flüssigkeit enthaltenen Bläschen, Temperatur- oder Rezepturänderungen schwanken. Deshalb reicht es nicht aus, die korrekte Füllmenge anhand der Zeit zu bestimmen.
Es gibt vier gängige Methoden zur Füllmengen-Messung:
1. Gravimetrisches Messen mit einer Wägezelle
2. Messung mit Pegelsonde
3. Volumenstrom-Messung
4. Massestrom-Messung
Erste Methode: Gravimetrisches Füllen mit einer Wägezelle
Bei der gravimetrischen Messmethode, dem Wägefüllen, misst eine digitale oder analoge Wägezelle das Gewicht der leeren Flasche und des eingefüllten Inhalts. Dafür sind in der Wägezelle Dehnungsmessstreifen (DMS) integriert, die die Gewichtsveränderung während des Befüllens präzise erfassen. Die Funktionsweise der DMS ist in unserem HBM-Beitrag „Wie funktioniert eine Wägezelle?“ detailliert erläutert. Der Vorteil von digitalen Wägezellen: Dank ihrer digitalen Ein- und Ausgänge ist die Kommunikation mit einer SPS-Steuerung besonders einfach. Auch für analoge Wägezellen gibt es die Möglichkeit, sie mittels einer PAD-Elektronik schnell und einfach zu digitalisieren.
Um eine Flasche zu füllen, platziert die Füllmaschine sie zunächst auf einer Plattform oder hängt sie mit dem Flaschenkragen an eine Gabel. Dabei ermittelt die Füllmaschine auch zugleich das Gewicht der leeren Flasche. Während die Maschine die Flasche befüllt, misst die Wägezelle die Veränderung des Gesamtgewichts. Wenn das zuvor definierte Gesamtgewicht erreicht ist, wird der Füllvorgang automatisch gestoppt und die Flasche zum Verschließen weitertransportiert. In einem Rotationsfüller mit 20 bis 80 Füllköpfen dauert dieser Vorgang rund fünf bis acht Sekunden für gängige 1-Liter-Flaschen. Das Wägefüllen ist nicht nur hoch präzise, es bietet zudem weitere enorme Vorteile.
Die Vorteile des Wägefüllens
- Die Wägezelle verwiegt jede Flasche noch vor dem Abfüllen, weshalb sich eine zerbrochene Flasche einfach erkennen und direkt aussortieren lässt: Sie ist leichter als das zulässige Mindestgewicht.
- Ist eine Flasche schwerer als erlaubt, kann dies auf Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsflüssigkeiten hindeuten. Auch diese Flasche sortiert die Füllmaschine sofort aus, um Gesundheitsgefährdungen zu verhindern.
- Steigt das Gesamtgewicht einer Flasche während des Befüllens nicht so schnell wie vorgegeben, deutet dies auf ein Leck hin, aus dem Flüssigkeit entweicht. Die Maschine stoppt den Füllvorgang, um eine Verschmutzung mit dem Produkt zu verhindern. Die Wägezelle trägt so zu einer höheren Verfügbarkeit der Anlage bei, denn eine Reinigung ist aufwendig und zeitintensiv.
Einfache Programmierung und Kalibrierung von Wägezellen
Wägefüllen ist ein Verfahren mit hoher Ergebnisechtheit: Der auf der Verpackung angegebene Inhalt kann grammgenau eingefüllt werden. Zudem lässt sich die Wägezelle sehr einfach mit Referenzgewichten kalibrieren – ähnlich einer Küchenwaage. Dies garantiert, dass die angezeigten 1.000 Gramm auch tatsächlich in der Flasche enthalten sind. Neben den Produzenten profitieren auch die Maschinenbauer von den Vorteilen der digitalen Wägetechnik, denn die eigene Programmierung des Füllalgorithmus in der Maschinensteuerung ist eine besondere Herausforderung: Das korrekte Verhältnis von Volumenstrom und Füllprozess einzustellen, ist sehr komplex. Es benötigt Wissen über Filter, Regeltechnik, Einschwing- und Reaktionszeiten. Eine digitale Wägezelle von HBM erleichtert den Einstellprozess erheblich, denn sie besitzt einen integrierten Füllalgorithmus, der die Erfahrung von Jahrzehnten des Wägefüllens enthält. Der Algorithmus lässt sich einfach via kostenloser Konfigurationssoftware PanelX anpassen. Die Wägezellen können komplett Stand-alone laufen, mit der Maschinensteuerung über I/Os oder Feldbusse kommunizieren oder den gefilterten Messwert kontinuierlich an die Steuerung liefern, falls doch eigene Füllalgorithmen genutzt werden sollen.
Für die Lebensmittelproduktion ist Wägefüllen besonders geeignet, denn der Sensor kommt nicht mit dem Produkt in Berührung. Alle HBM-Wägezellen verfügen über die höchstmögliche Schutzart IP68/69K und überstehen damit dauerhaftes Untertauchen und Hochdruckreinigen. Einige Wägezellen wie die PW27 wurden nach EHEDG-Richtlinien entwickelt – für besonders hygienische Anforderungen. Auf den elektropolierten und komplett runden Ablaufflächen dieser Wägezellen bilden sich keine Keimnester etwa von Eiweiß- oder Zuckerbakterien. Sie eignen sich damit auch für den neuen Verpackungstrend: Kaltaseptische Abfüllung ohne Pasteurisierung und ohne Zugabe von Konservierungsstoffen.

Zweite Methode: Messung mit Pegelsonde
Ein Verfahren, das auf die Füllhöhe in der Flasche abzielt, ist die Pegelsonden-Methode. Dabei wird eine Pegelsonde in die Flaschenöffnung eingeführt und die Flasche so lange befüllt, bis der Flüssigkeitsstand die Sonde erreicht. Geeignet sind dafür nur Produkte mit elektrischer Leitfähigkeit, also Flüssigkeiten mit einem Mindestsalzgehalt. Pflanzen- oder Mineralöle etwa enthalten zu wenig Salz. Das Pegelsonden-Verfahren ist das ungenaueste Messverfahren, mit einer großen Ergebnisstreuung bei der Bestimmung der Füllmenge, denn das Behältervolumen – besonders von Glasflaschen – schwankt erheblich. Deshalb kommen Pegelsonden fast ausschließlich bei günstigen und leitfähigen Produkten zum Einsatz. Ein weiterer entscheidender Nachteil: Die Sonde kommt mit dem Produkt in Berührung, trägt also einen Teil des Produkts von Flasche zu Flasche weiter – deshalb ist diese Messmethode für hygienisches Abfüllen ungeeignet.
Ideal ist Füllmengen-Messung per Pegelsonde für isobarisches Füllen, wenn in der Rohrleitung und in der Flasche die gleichen Druckverhältnisse von zum Beispiel drei Bar bei der Bierabfüllung herrschen müssen. Carbonierte – also kohlensäurehaltige – Flüssigkeiten benötigen eine solche Umgebung, sonst verlieren sie ihren Kohlensäuregehalt. Zudem ermöglicht diese Methode, einen optisch gleichen Füllstand bei der Befüllung von Getränkekästen zu erzeugen – ein wichtiges, vom Kunden gewünschtes Kriterium insbesondere bei der Abfüllung von Bier oder Mineralwasser.
Dritte Methode: Die Volumenstrom-Messung
Die Durchfluss-Messung erfasst die Menge an Flüssigkeit, die durch das Abfüllventil strömt. Hier wird das Volumen der Flüssigkeit in der Flasche mittels eines magnetisch-induktiven Verfahrens gemessen. Dabei teilt ein Magnetfeld die Ionen der durchströmenden Flüssigkeit, so dass an den Messelektroden eine Spannung entsteht. Diese Spannung lässt sich messen und daraus der Volumendurchfluss berechnen. Das Verfahren eignet sich nur für leitfähige Flüssigkeiten. Zudem muss die Füllmaschine auf jede Flüssigkeit einzeln kalibriert werden, weil jedes Produkt unterschiedlich viele Ionen enthält.
Vierte Methode: Die Massestrom-Messung
Die Massestrom-Messung macht sich das Prinzip der Corioliskraft zunutze. Hier fließt die Flüssigkeit durch zwei zum Schwingen angeregte Rohre in die Flasche, wobei die an dem Rohrpaar wirkende Corioliskraft eine Phasenverschiebung dieser Schwingung erzeugt. Damit lässt sich errechnen, welche Masse an Flüssigkeit durch die Rohre geflossen ist. Diese Methode ist auch für nicht-leitende Flüssigkeiten geeignet. Sie ist jedoch sehr teuer in der Anschaffung, denn sie erfordert einen hohen Kalibrieraufwand während der Sensorfertigung.
Vergleich der unterschiedlichen Füllmethoden
Welche Methode letztendlich zum Einsatz kommt, hängt von Wert und Eigenschaften des abzufüllenden Produkts ab. Zudem unterscheiden sich die verschiedenen Verfahren erheblich in der Präzision und der Füllgeschwindigkeit.
Präzision:
Das gravimetrische Füllen mittels Wägetechnik ist deutlich präziser als alle anderen Mess- und Füllmethoden: Bei der Pegelsonde beträgt die Standardabweichung rund zwei bis fünf Prozent des Abfüllgewichts in Glasflaschen, bei den volumetrischen Methoden rund 0,5 bis ein Prozent. Mit Massestrom sind bestenfalls 0,2 Prozent realisierbar. Bei Befüllung mit Wägetechnik lässt sich eine Standardabweichung von rund 0,1 Prozent des Abfüllgewichts erreichen.
Füllgeschwindigkeit:
Die verschiedenen Messmethoden ermöglichen verfahrensbedingt unterschiedlich schnelle Füllgeschwindigkeiten. Beim Füllen mit einer Pegelsonde ist eine Flasche in etwa zwei bis vier Sekunden gefüllt. Mit Wägetechnik oder Massestrom-Messung dauert es rund fünf Sekunden, bis eine Flasche voll ist. Die größte Schwankung in der Füllgeschwindigkeit hat die Volumenstrom-Messung mit einer Fülldauer von zwei bis fünf Sekunden.
Viele Produkt-Eigenschaften machen Wägefüllen zur idealen Füllmethode
Wägefüllen ist ein Füllverfahren, das für nahezu jede Flüssigkeit geeignet ist – unabhängig von Leitfähigkeit, Feststoffgehalt und Fließgeschwindigkeit. Mit Wägefüllen lassen sich Inhaltsmengen äußerst präzise bestimmen. Kostspielige Sicherheitsüberfüllungen können damit auf ein Minimum reduziert werden. Speziell bei hochwertigen Produkten wie Kosmetika oder Ölen sind so erhebliche Einsparungen möglich. Auch bei Produkteigenschaften, die den Abfüllprozess erschweren, wie hohe Viskosität oder ein hoher Feststoffanteil in der Flüssigkeit, bietet das gravimetrische Messprinzip mittels Wägezelle eine deutlich höhere Ergebnissicherheit als andere Messmethoden.
Wer die steigende Nachfrage nach Aseptik-Fillern bedienen will, hat nur noch die Wahl zwischen der Massestrom-Messung und dem gravimetrischen Wägefüllen. Im direkten Vergleich bietet das gravimetrische Messprinzip entscheidende Vorteile: Aufgrund höherer Hygiene ist es die einfachste Art, ohne Pasteurisierung kaltaseptisch abzufüllen. Zudem ist Wägefüllen deutlich präziser und günstiger als die Massestrom-Messung. Für Hersteller von Abfüllanlagen ist gravimetrisches Wägefüllen somit das ideale Prinzip, um wettbewerbsfähige Filler-Systeme zu entwickeln.