Wie funktioniert ein piezoelektrischer Kraftaufnehmer Wie funktioniert ein piezoelektrischer Kraftaufnehmer | HBM

Piezoelektrische Kraftaufnehmer: Das Prinzip ist einfach – die Möglichkeiten riesig

Kraftaufnehmer – auch Kraftsensoren genannt – gibt es in verschiedenen Ausführungen. Am gängigsten sind die Modelle auf Basis von Dehnungsmessstreifen, die wir hier bereits vorgestellt haben. In diesem Artikel geht es um eine weitere Technologie, die beim Messen von Kräften zum Einsatz kommt: Piezoelektrische Kraftaufnehmer. Für diesen Artikel hat Thomas Kleckers erklärt, wie piezoelektrische Sensoren funktionieren. Er ist Produktmanager für Kraftaufnehmer bei HBM und Diplom-Physik-Ingenieur. Kein Wunder also, dass ihm das Funktionsprinzip der Piezo-Aufnehmer besonders gefällt. Er sagt: „Das Prinzip ist einfach – die Möglichkeiten riesig.“

Der Piezo-Kristall

Um zu verstehen, wie ein Piezo-Kraftaufnehmer funktioniert, werfen wir zuerst einen Blick auf sein Innenleben. Das Herzstück des Sensors bildet immer ein piezoelektrischer Kristall, zum Beispiel Quarz. Piezoelektrische Materialien sind Materialien, die unter Krafteinwirkung Ladung abgeben. Das Prinzip ist wirklich einfach: Die Ladung, die man erhält ist proportional zu der Kraft, die einwirkt. Über eine Elektronik, einen so genannten Ladungsverstärker, kann man die Ladung in ein einfach zu messendes 0…10 V- Signal wandeln. Am Ende ist die Ausgangsspannung proportional zur Kraft.

Aufbau und Funktionsweise von Piezo-Kraftaufnehmern

Der Zusammenhang zwischen der Kraft, die auf den Kristall einwirkt und der Ladungsänderung ist proportional. Bedeutet: Je mehr Kraft, desto mehr Ladung. Dieses Prinzip macht sich die Piezo-Kraftmesstechnik zunutze. Damit aus dem Kristall ein Aufnehmer wird, braucht es allerdings noch etwas mehr. „Der besondere Vorteil ist, dass das Ausgangssignal unabhängig von der Größe des Sensors ist“, sagt Thomas Kleckers.

In der Regel werden zwei Kristallelemente in einem Sensor verbaut. Zwischen den Kristallen befindet sich eine Elektrode. Diese Elektrode nimmt die Ladung an den innen gelegenen Seiten der Kristallelemente auf. Über ein Kabel ist die Elektrode mit dem Ladungsverstärker verbunden. Um die beiden Kristallscheiben herum ist außerdem ein Metallgehäuse. Dieses dient nicht nur dem Schutz der Kristalle, sondern ist über den Kabelschirm ebenfalls mit dem Ladungsverstärker verbunden und stellt somit die zweite Kontaktstelle zu den Kristallen dar.

"Dabei ist es essentiell, dass zwischen den Kristallen und der Elektrode ebenso wie zwischen den Kristallen und dem Gehäuse ein sehr guter Kontakt besteht“, erklärt Produktmanager Thomas Kleckers. „Daher müssen die Oberflächen der Materialien hochwertig, präzise, eben und von kaum mehr messbarer Rauigkeit sein. Nur wenn die Oberflächen einen exzellenten Kontakt haben, kann die Ladung gut übertragen werden.“

Eigenschaften von Piezo-Sensoren

Piezoelektrische Kraftaufnehmer haben die besondere Eigenschaft, dass sie sehr große Messbereiche abdecken. Das heißt, zum Messen von ganz kleinen bis zu sehr großen Kräften kann ein und derselbe Sensor zum Einsatz kommen. Damit sind die Piezo-Kraftaufnehmer sehr flexibel einsetzbar – und es gibt sie schon im Mini-Format mit nur wenigen Millimetern Dicke. Ihre hohe Steifigkeit sorgt dafür, dass sie sich unter Belastung kaum verformen. Damit bleibt der Einfluss des Sensors auf die Struktur, in der er eingebunden ist, besonders gering.

Dafür sind die Aufnehmer anfällig für Drift: „Die Ladung findet immer irgendeinen Weg, um sich auszugleichen“, sagt Thomas Kleckers. Die Ladungsdifferenz, die zum Messen nötig ist, lässt sich daher nicht beliebig lange aufrechterhalten. Maximal kann man von 10 N/min Drift ausgehen. Wenn die Messkette eingelaufen ist, ist dieser Wert in der Praxis deutlich geringer. Er bleibt allerdings unabhängig von der gemessenen Kraft gleich. Daher fällt die Drift besonders dann ins Gewicht, wenn kleine Kräfte über einen langen Zeitraum gemessen werden sollen – und weniger bei großen Kräften oder kurzen Messzeiträumen.

Anwendung

Je nach Anwendung werden entweder vorgespannte oder nicht-vorgespannte Piezo-Kraftaufnehmer verwendet. Die bereits vorgespannten Sensoren sind kalibriert, man kann sie nach dem Einbau sofort verwenden. Zur Montage müssen die Kraftmessringe noch vorgespannt werden. Dies geschieht im Allgemeinen durch Schrauben oder Bolzen. So wird ein möglichst guter Kontakt der verschiedenen Materialoberflächen hergestellt, der die Ladungsübertragung ermöglicht. Da diese zusätzlichen Bauteile aber die Empfindlichkeit der Messstelle ändern, kommt nach dem Vorspannen das Einmessen, d.h. das Kalibrieren der Messstelle.

"Oft werden gerade die kleinen Piezo-Sensoren nachträglich in bestehende Systeme integriert. Das passt dann zwar meist von den Ausmaßen her, um das Einmessen kommt man aber nicht herum." Thomas Kleckers

Es muss sichergestellt werden, dass der Aufnehmer in der gegebenen Einbausituation mit allen Umgebungsbedingungen auch die quantitativ richtigen Ergebnisse liefert. Piezo-Kraftaufnehmer punkten besonders in zyklischen Prozessen, wie Thomas Kleckers erklärt. Zum Beispiel, wenn zwei Bauteile wie beim Nieten mit einer definierten Kraft verbunden werden. Der Aufnehmer und Ladungsverstärker messen den Kraftverlauf des Nietvorgangs und ermöglichen so eine sehr effektive Qualitätskontrolle. Dabei wird gemessen, dann wird eine ‚Reset‘ – also ein Nullstellen ausgelöst. Dann kommt die nächste Niete. Wegen der kurzen Messzeit hat die Drift keinerlei Einfluss auf das Ergebnis. Eine Anwendung, die ich besonders bemerkenswert finde, ist eine Presse, erzählt Thomas Kleckers. „Die Presse stempelt mit 50 Tonnen, also 500 Kilonewton. Im Plateau des Ablaufs muss dann nochmal fein nachgesteuert werden. Hier geht es um etwa 100 Newton. Zwischen diesem ersten und zweiten Schritt wird ein ,RESET‘ gefahren und in Schritt zwei kann die Kraft dadurch mit hoher Auflösung gemessen werden. So wird bei der Anwendung der große Messbereich von Piezo-Kraftaufnehmern voll ausgeschöpft.“