Kräfte und Momente an Windkraftanlagen sicher ermitteln Kräfte und Momente an Windkraftanlagen sicher ermitteln | HBM

Kräfte und Momente an Windkraftanlagen sicher ermitteln

Windkraftanlagen sind insbesondere im Offshore-Bereich extremen Belastungen ausgesetzt und durchleben im Laufe der Zeit mehrere Milliarden Wechsellastzyklen. Bis zur Typzulassung einer Windenergieanlage gilt es die vielfältigen Standards der internationalen Norm für Windenergieanlagen IEC 61400 zu erfüllen, welche die Windkraftanlage als „elektrische Maschine“ beschreibt. Sowohl die auftretenden Kräfte als auch Momente an Windkraftanlagen sind besonders groß - Kräfte bis zu 5 MN sowie Momente bis zu 5 MNm und mehr sind abzusichern. Dabei geht es um Kräfte und Momente zwischen den Bauteilen, aber auch um solche, die sich an der Oberfläche der Bauteile als Spannungen auftreten, also sehr niederfrequente Schwingung aufweisen.

Die Schraubverbindung als kritischer Faktor

Die Verbindung der Bauteile in der Gondel, am Antriebsstrang, der elektrischen Komponenten, aber auch der Rotorblätter, Türme und Gründungen, wird meist mit Schraubverbindungen gewährleistet, da diese in Stahl ausgeführt sind. Die Schrauben unterliegen großen Belastungen und sichern wichtige Teilfunktionen und somit die Gesamtfunktionalität der Anlage. Durch die Schraubverbindungen treten Relativkräfte und -momente zwischen den Bauteilen auf. Aber auch das Anzugsmoment muss gesichert werden, damit die Schraubverbindung die vielen Wechsellastzyklen optimal überstehen kann.

Die Größe der Schrauben, die in Windkraftanlagen verbaut werden, variiert. Schrauben der Größe M12 kommen zum Einsatz, meist jedoch größere wie M27, M36 oder M48. In manchen Fällen werden sogar M64 oder M72 eingesetzt, welche z. B. an Rohr- und Gittermastturmverschraubungen benötigt werden. Dabei werden die Schrauben meist nach Festigkeitsklasse 10.9 gemäß ISO 898-1 und die Muttern nach Festigkeitsklasse 10 gemäß ISO 898-2 ausgelegt.

Überwachung der Schraubverbindung während des Betriebes

HBM Kraftmessringe der Serie KMR messen statische und dynamische Druckkräfte und eignen sich besonders zur Überwachung von Kräften dieser Schraubenverbindungen. Mit den KMR Kraftmessringen bietet HBM eine Lösung für die konsequente Überwachung der zahlreichen Flanschverbindungen, z. B. zwischen Turmsegmenten oder zwischen Nabe und den Rotorblättern. Es handelt sich um langlebige Messringe der Schutzart IP67, die wie eine „intelligente Unterlegscheibe“ eingesetzt werden können und welche auf Basis der Dehnungsmessstreifentechnologie arbeiten. Das Signal der Kraftmessringe kann mit einem geeigneten Messverstärker ergänzt werden. Für noch größere Schrauben lassen sich Kraftaufnehmer des Typs C6A analog zur Anwendung von KMR einsetzen.

Auch bei der Montage der Schraubverbindungen kommt Messtechnik zum Einsatz, insbesondere um Anzugsmoment und Montagevorspannkraft zu erfassen. Beim Anziehen der Schrauben in Ringflanschen werden häufig Schraubenspannzylinder verwendet, welche mit einem sehr hohen Druck von bis zu 2000 bar arbeiten. Für diesen Druckmessbereich bietet HBM mit dem P2V einen besonders genauen und robusten Drucktransmitter an, der die genaue Einhaltung des anliegenden Druckes sicherstellen kann, welcher den wichtigsten Parameter für das Anzugsmoment darstellt.

Darüber hinaus müssen Schraubenspannzylinder zurückgeführt werden, damit deren Anzugsmomente auch korrekt sind. Bei der Rückführung des tatsächlichen Drehmoments dieses „Torque tools“, also eines Schraubenspannzylinders oder Drehmomentschlüssels, kann ein sogenannter Transfer-Drehmomentschlüssel des Typs TTS von HBM verwendet werden. Die Details hierfür sind in der Richtlinie DKD-R 3-7 festgeschrieben.

Wie kann man diese Drehmomente auf das nationale Normal bei der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zurückführen? HBM arbeitet auf diesem Gebiet eng mit der PTB zusammen und stellt Referenzdrehmomentaufnehmer wie die Typen TN, TB1 und TB2 zur Verfügung. Ebenso verfügt HBM über hochgenaue Präzisionsmessverstärker wie DMP41, MGCplus ML38B oder QuantumX MX238B.

Sensoren zum Erfassen mechanischer Belastungen der Bauteile

Windkraftanlagen sind extremen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Mithilfe von Dehnungsmessstreifen und Dehnungsaufnehmern können diese Kräfte messtechnisch erfasst werden.

Dehnungsmessstreifen

Zur Erfassung sehr niederfrequenter Schwingungen an Windenergieanlagen eignen sich Dehnungsmessstreifen (DMS) bzw. Dehnungsaufnehmer. An Windenergieanlagen treten gerade im Bereich zwischen 0 …0,5 Hz wichtige Schwingungen auf. Diese lassen sich mit dem DMS deutlich effektiver aufzeichnen als mit piezoelektrischen Sensoren. HBM bietet sowohl elektrische als auch optische DMS sowie Hybridsysteme an.

Für zahlreiche Sonderanwendungen in der Windenergie gibt es auch kundenspezifische Dehnungsmessstreifen, z. B. für die sehr breiten Zahnflanken der Windkraftgetriebe. Mit den speziellen kundenspezifischen Dehnungsmessstreifen lässt sich die Lastverteilung über die Breite der Zahnflanken der Windkraftgetriebe ermitteln und Getriebe entsprechend optimieren.

Dehnungsaufnehmer

Nochmals langlebiger sind Dehnungsaufnehmer in gekapselter Form. HBM bietet Dehnungsaufnehmer vom Typ SLB700 sogar in einer Variante mit integrierter Elektronik an. Der DMS ist hierbei vergossen und durch das Gehäuse des Dehnungsaufnehmers mechanisch geschützt. Zum anderen können Dehnungsaufnehmer des Typs SLB700 sehr einfach installiert werden und ermöglichen die Messung sehr großer Kräfte und Momente. Man spricht in diesem Falle vom sogenannten „force shunt measurement“. Damit ist gemeint, dass der Dehnungsaufnehmer im Kraftnebenschluss montiert wird und nur den Dehnungszustand des Bauteils aufnimmt, der wiederum vom Werkstoff, in diesem Fall Stahl, abhängt. Ein typischer Einsatzfall von Dehnungsaufnehmern der Serie SLB700 ist z. B. die Applikation auf Azimutbremsen von Windenergieanlagen, sodass die Bremsbackenkraft mittels einer Dehnungmessung am Rücken der Bremse erfasst wird.

IEA Wind Task 35

HBM ist Mitglied der Arbeitsgruppe "Ground Based Testing of Wind turbines and their Components" des internationalen Forums "IEA Wind". Diese Arbeitsgruppe befasst sich schwerpunktmäßig mit Großprüfständen für Getriebe und Generatoren am Boden, aber ebenso mit der Bewertung der Lasten auf Rotorblätter. Hauptziel dieser Arbeitsgruppe ist es, Leitlinien und empfohlene Praktiken für Prüfeinrichtungen zu entwickeln, die die Belastung von Windenergiekomponenten in einem gesteuerten Umfeld vor Ort simulieren, um Konstruktionsannahmen zu verifizieren und System- oder Komponentenfunktion, Sicherheit und Haltbarkeit zu demonstrieren.

Weitere Informationen: www.cwd.rwth-aachen.de/iea-wind/