Elektrische Leistungsberechnung mit QuantumX und catman Elektrische Leistungsberechnung mit QuantumX und catman | HBM

Elektrische Leistungsberechnung mit QuantumX und catman

In zahlreichen Anwendungen gewinnt das Erfassen von elektrischen Signalen sowie die weiterführende Leistungsberechnung und Signalanalyse im Zeit- und Frequenzbereich eine wachsende Bedeutung. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen praktische Tipps, wie Sie mit QuantumX MX403B und der Software catman die notwendigen Schritte für diese Aufgaben durchführen können.

Elektrische Aktuatoren kommen in immer mehr Anwendungen zum Einsatz – sei es in Aufzügen, Rolltreppen oder als Komponenten im Auto. Dabei ersetzen die Aktuatoren (z. B. Antriebe oder Ventile) mittlerweile häufig bislang für diesen Zweck eingesetzte hydraulische Systeme. Die Erfassung „elektrischer Größen“ wie Spannung und Strom nimmt somit einen immer höheren Stellenwert ein.

Das Messdatenerfassungssystem QuantumX ermöglicht - neben den typischen physikalischen Messgrößen - auch die Erfassung elektrischer Größen wie Spannung und Strom.  Speziell für das exakte Aufnehmen elektrischer Spannungen bis 1000 V wurde das 4-Kanal-Messmodul QuantumX MX403B entwickelt. Auch das Messen kleiner Differenzspannungen auf hohem elektrischen Potenzial ist mit MX403B möglich.

Bitte beachten Sie: Messungen von gefährlichen Spannungen dürfen nur von dafür ausgebildeten Personen durchgeführt werden. Bei der Auswahl des Messmittels spielen die Messkategorien der IEC 61010 eine wichtige Rolle. Beachten Sie zu diesem Thema deshalb die Sicherheitshinweise in der Bedienungsanleitung von MX403B.

QuantumX MX403B Datenerfassungssystem

Das MX403B besitzt vier isolierte differentielle Messkanäle zum direkten Messen von Spannungen bis DC 1000 V oder AC effektiv 1000 V.

Die frei parametrierbaren Messbereiche von 10, 100 und 1.000 V ermöglichen sowohl die Erfassung von hohen Spannungen gegen Bezugserde als auch das Messen von kleinen Differenzspannungen auf hohem Potential gegen Bezugserde. Jeder Kanal ist mit analogen Anti-Aliasing-Filtern, 24-Bit-AD-Wandlern und digitalen Filtern ausgestattet und kann individuell parametriert werden.

Das Modul erlaubt Messraten bis 100 kS/s pro Kanal und Bandbreiten bis 40 kHz und gliedert sich nahtlos in das etablierte Datenerfassungssystem QuantumX ein. QuantumX erfasst alle physikalischen Messgrößen aus der mechanischen, elektrischen oder thermischen Welt vollkommen zeitsynchron, verrechnet die Signale und etabliert sich damit als übergreifende Gesamtlösung und wertvolles Werkzeug in Forschung und Entwicklung. QuantumX-Module lassen sich räumlich verteilen und können auch optisch (über Opto-Ethernet oder Opto-Firewire) an den PC angebunden werden, um maximale Sicherheit zwischen Messort und PC zu realisieren.

QuantumX MX403B zur Messung elektrischer Spannungen

Bei der Messung von elektrischen Spannungen kommt es natürlich darauf an, zu welchem Potential / Bezugspunkt man misst. Das Modul MX403B ist perfekt geeignet für Mess-, Analyse- und Testaufgaben und misst Gleichspannungen an oder in Energiespeichern oder aber Wechselspannungen im 1-phasigen oder 3-phasigen Betrieb innerhalb der Messkategorien CAT II und III. Beim 3-phasigen Betrieb unterscheiden wir zwischen 3- und 4-Leiter-Drehstromsystemen, je nachdem ob ein Neutralleiter zur Verfügung steht oder nicht. Danach richten sich auch die Messschaltungen für die Leistungsermittlung.

Drehstromantriebssysteme sind  oft in Sternpunkt-Ausführung aufgebaut. Die drei Wicklungsstränge (L1, L2, L3) werden in einem Punkt im Antrieb zusammengeführt. Dieser Sternpunkt wurde früher in den Klemmkasten herausgeführt und zum Anlaufen in Stern-Dreieck-Umschaltung verwendet.

Mit Verbreitung elektronischer Umrichter ist das immer weniger der Fall. Die Leistung wird bei drei Phasen geometrisch aus den Einzelleistungen addiert; da man den Strom jeder Phase misst, muss man ihn entsprechend mit der Spannung jeder Phase multiplizieren. Die Phasenspannung kann in den seltensten Fällen direkt abgegriffen werden. Daher bedient man sich einer der folgenden Maßnahmen:

  • Berechnung der Sternspannungen U1N, U2N, U3N aus den Dreiecksspannungen U12, U23, U31. Das ist ungenau, wird aber praktiziert.
  • Erzeugen eines Bezugspunkts außerhalb des Motors über ein R bzw. RC-Netzwerk (virtueller Sternpunkt). Das ist genauer und eignet sich bei symmetrischen Lasten. Nimmt man jedoch an, dass der Antrieb vollkommen symmetrisch ausgelegt ist und sich als solcher verhält, bräuchte man auch nur EINEN Leistungskanal. Das muss analysiert werden.

Bei der Auslegung elektrischer Antriebe wird sehr darauf geachtet, symmetrische Lasten aufzubauen, d.h. über den Nullleiter fließt kein Strom. Ist der Sternpunkt nicht nach außen geführt (kein Nullleiter vorhanden und damit 3-Leiter-Schaltung), kann ein „externer virtueller Sternpunkt“ aufgebaut werden. Dazu kann der Adapter G068-2 von HBM eingesetzt werden. Im G068-2 befinden sich drei RC-Netzwerke wie nachfolgend dargestellt. Die Box passt exakt auf die Bananenbuchsen des MX403B, schränkt den Erfassungsbereich aber auf AC 600 V ein.

Erfassung von Strömen mit QuantumX MX403B

Der elektrische Strom kann über unterschiedliche Messprinzipien erfasst werden. Während Nullflusswandler, Shunt oder Hallsensorwandler präzise, phasensynchrone Messungen kleiner Ströme ermöglichen, eignen sich Strommesszangen besonders für zügige Strommessungen im 1-phasigen und 3-phasigen Betrieb. Strommesszangen ermöglichen in weiten Grenzen die galvanisch entkoppelte Messung von Wechselströmen (oft auch Gleichströmen) ohne Auftrennen des stromführenden Leiters. Strommesszangen sind zudem kostengünstig und ermöglichen eine Leistungsanalyse für Einsätze mit weniger hohem Genauigkeitsanspruch. Es gibt Strommesszangen für verschiedene Einsatzzwecke mit unterschiedlicher Auslegung (induktiv, Hall-Effekt).

Das induktive Messprinzip führt zu einem Phasenverzug im Stromwandler (Englisch: skewing) zwischen realem Strom und elektrischer Ausgangsspannung der Stromzange, die vor der Leistungsberechnung zeitlich kompensiert werden muss. Dabei wird die gemessene elektrische Spannung einfach entsprechend verzögert. Der Phasenwinkelfehler variiert bei einigen Strommesszangen mit der Frequenz und über den Messbereich, was sich natürlich auf die Leistungsberechnung auswirkt! Je nach Messbereich kommen hier 3 bis 10° bei Referenzbedingungen vor. Aber Achtung, als Referenz dient hier meistens eine perfekte sinusförmige Spannung, 45…60 Hz, 23° C Umgebungstemperatur und 50% Luftfeuchte. Jede Abweichung von dieser Referenz kann und wird sich auf die Genauigkeit der Strommessung und damit der Leistungsberechnung auswirken. Bei Verwendung von Strommesszangen kommt es somit auf die richtige Wahl an. HBM bietet daher direkt Strommesszangen an.

Um die Leistungsberechnung korrekt durchzuführen, muss die Phasenverschiebung zeitlich kompensiert werden. Am einfachsten dadurch, dass die gemessene elektrische Spannung entsprechend verzögert wird. Weiter unten wird dieser Vorgang dargestellt. Somit haben wir beide elektrische Messgrößen im Griff und können nun die Software betrachten.

Datenerfassungssoftware catman

Die HBM-Software catman (in ihren Varianten catman EASY und catman AP) eignet sich perfekt für die folgenden Schritte:

  • Parametrierung der Kanäle (Speicherung der Kanaleinstellungen für die verwendeten Sensoren, z. B. Stromzangen)
  • Optionale Phasenkompensation beim Einsatz von Strommesszangen
  • Verrechnung von Signalen zu Wirk-, Schein- und Blindleistung sowie weiterer Faktoren
  • Visualisierung der Rohwerte und verrechneten Werte auf individuellen Anzeigen
  • Datenspeicherung im gewünschten Datenformat
  • Analysen bei laufender Messung
  • Post-Process-Analyse und Berichterstellung

Die Software catman bietet neben der Messdatenerfassung eine integrierte Mathematik-Bibliothek. Die mathematischen Funktionen reichen von einfachen algebraischen Berechnungen, statistischen Auswertungen über Spektralanalysen bis hin zur vordefinierten elektrischen Leistungs- und Effizienzberechnung. Der Effektivwert von Eingangsgrößen kann auch in der Software berechnet werden.

Schrittweise Messung, Online-Verrechnung und Analyse mit catman

Parametrieren Sie die Messkanäle mit Hilfe der Sensordatenbank. Falls die korrekte Signalbeschreibung nicht in der Sensordatenbank zu finden ist, erstellen Sie das jeweilige Datenblatt. Die Verwendung des Sensordatenblatts macht die zukünftige individuelle Parametrierung einzelner Kanäle schneller und ist jederzeit reproduzierbar.

Phasen-synchrone Analyse von Signalen mit catman

Alle Kanäle eines QuantumX-Systemswerden zeitsynchron erfasst. Dazu bietet QuantumX sehr viele mögliche Sensor- und Aufnehmertechnologien, welche physikalische Größen wie elektrische Spannung, Strom, Drehmoment, Drehzahl, Temperatur, Beschleunigung, Vibration, Geräusch, Bus-Signale der Steuergeräte-Kommunikation, usw. in digitale Signale wandeln.

In unserem Beispiel wird der Strom über einen Shunt gemessen. Zur Messung von Wechsel- oder Gleichströmen werden oft Shunts eingesetzt. Shunts sind rein ohmsch aufgebaut und daher phasengenau.

Gibt es einen Phasenverzug zwischen Strom und Spannung?

Strommesszangen haben durch ihren induktiven Messkern einen Phasenverzug – d.h. die Phase des Ausgangssignals des Wandlers ist gegenüber der Stromphase verzögert. Ist der Phasenverzug des Wandlers nicht bekannt, kann dieser einfach durch eine Erfassung von Strom und Spannung an einem ohmschen Verbraucher (z.B. Glühlampe) ausgemessen und über die Software catman EASY korrigiert werden. Die gemessene Spannung kann entsprechend verzögert werden. Strommesszangen können zum Beispiel über einen Adapter Banane auf BNC an den MX403B angeschlossen werden.

Natürlich kann die Strommesszange auch über einen anderen Messverstärker im Verbund angeschlossen werden, z. B. über einen Adapter BNC auf SubHD am Universalmessverstärker MX840A. Dieser Messverstärker kann auch die Größen Drehmoment, Drehzahl, Temperatur, Beschleunigung, Vibration und CAN-Bus-Signale aufnehmen.

Ein Beispiel für eine Phasenkorrektur: Berechnungskanäle > Filter > Funktion Phasenkorrektur finden Sie rechts.

Online-Leistungsberechnung

Bei der Leistungsberechnung betrachten wir nur niederfrequente harmonische Signale (< 100 Hz). Zur Leistungsberechnung führen wir keine komplexen Integrationsalgorithmen durch. Es werden die weit verbreiteten Standard-Formeln verwendet. Die Leistungsberechnung in catmanEasy stützt sich auf ein Fenster-basiertes Verfahren. Die Genauigkeit der Leistungsberechnung hängt somit von der Grundfrequenz des Signals und der gewählten Fensterbreite ab.

Beispiel: 50 Hz Grundschwingung -> 20 ms eine Periode -> 100 ms Fenster -> 5 Perioden im Mittel.

Die berechnete Leistung wird hierbei selbst bei einem statischen System eine gewisse Restwelligkeit aufweisen. Bei einer vollständigen Berechnung aller Größen in catman EASY werden Effektivwert (RMS) und auch der Mittelwert (MEAN) über ein Zeitfenster ermittelt. Beides wird nicht wie zum Beispiel im MX403B durch eine straight forward Mittelwertbildung über n Werte gemacht (benötigt Puffer für n Werte, daher max. Zeitfenster begrenzt!), sondern in einer ein-Schritt Iteration, die ohne Puffer auskommt.  Die Formeln stellen sich wie folgt dar:

  • RMS (n) = sqrt((1-a)*Messwert(n)*Messwert(n) + a * RMS(n-1))
  • MEAN (n) = (1-a)*Messwert(n) + a * MEAN(n-1))
  • a = exp(-1/(Messrate * Zeitfenster))

Das Verfahren ist schneller, benötigt praktisch keine Puffer und kann daher beliebig große Zeitfenster realisieren. Das Ergebnis stimmt gut mit den OnBoard berechneten Werten eines MX410B oder MX403B überein. Zur Glättung können RMS und MEAN auch noch gefiltert werden. Die weiteren Berechnungskanäle ergeben sich dann wie folgt:

  • REALPOWER = MEAN(U * I)
  • APPARENTPOWER = RMS(U) * RMS(I)
  • REACTIVEPOWER = sqrt(APPARENTPOWER*APPARENTPOWER – REALPOWER*REALPOWER)
  • POWERFACTOR = REALPOWER/APPARENTPOWER
  • PHI = acos(POWERFACTOR) * 57.29 um von rad auf ° zu kommen

Screenshot Gallerie

Die Parametrierung der Leistungsberechnung.

Nun gilt es, eine Messung mit den neu gewonnen Größen durchzuführen. In diesem Beispiel handelt es sich bei dem Messobjekt um eine 60-Watt-Glühlampe. Über Textmarken (Reiter Office) kann der Graph ganz einfach in einen Messbericht nach Microsoft Word exportiert werden.

Im Vergleich dazu sehen Sie hier eine Messung an induktiven Lasten. Messobjekt ist ein 50-Watt-Lötkolben.

Analyse aufgenommener Messdaten

Betrachten wir dazu den Modus ‚Datenanalyse‘ (post-process) genauer. Mithilfe der Messtechnik-Software catmanEASY kann die Frequenzverteilung eines oder mehrerer Signale angezeigt und analysiert werden. Geforderte Parameter sind hierbei die Anzahl der Messwerte, über die das Amplitudenspektrum berechnet werden soll.

Die Frequenzanalyse im Post-process-Modus berechnet über die FFT ein Spektrum (Amplituden-, Phasen- oder Leistungsspektrum). Insbesondere im dynamischen Betrieb gilt es oft, mehrere Spektren über die Zeit darzustellen. Dafür eignet sich das sogenannte Wasserfalldiagramm, das fortlaufend Amplitudenspektren dreidimensional darstellt. Die Ansicht kann in allen Richtungen frei gedreht werden. Über die Funktion ‚Frequenzdatensatz erzeugen‘ wird der Frequenzkanal für den Export bereitgestellt.