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Wie funktioniert eigentlich … ein Kraftaufnehmer?

Kraftaufnehmer, die auf Dehnungsmessstreifen basieren

Die Funktionsweise

Um zu erklären, wie ein Kraftaufnehmer funktioniert, muss eigentlich zuerst die Frage beantwortet werden: Wie funktioniert ein Dehnungsmessstreifen (oder kurz: DMS)? Denn in den meisten gängigen Kraftaufnehmern stecken Dehnungsmessstreifen.

Also ein kurzer Exkurs zu Dehnungsmessstreifen: Das sind elektrische Leiter, die meanderförmig auf einer Folie aufgebracht und mit dieser fest verbunden sind. Zieht man an dieser Folie, wird sie – mitsamt dem Leiter – länger. Staucht man sie, wird sie kürzer. Das führt zu einer Widerstandsänderung im elektrischen Leiter, aus der sich die Dehnung ableiten lässt, denn der Widerstand wird bei Dehnung größer und bei Stauchung kleiner.

Um einen Kraftaufnehmer herzustellen, braucht es neben Dehnungsmessstreifen auch noch einen Federkörper, zum Beispiel aus Stahl. Der Dehnungsmessstreifen – wir erinnern uns: elektrischer Leiter auf Folie – wird darauf fest verklebt.

Als einfachsten Federkörper können wir uns einen Stahlzylinder vorstellen, der durch eine Kraft entweder in die Länge gezogen oder gestaucht wird. Weitere Kräfte, zum Beispiel von der Seite kommend, lassen wir hier außer Acht. Die Krafteinwirkung auf den Stahl führt zu einer mechanischen Spannung im Material und damit zu einer Dehnung. Wobei mit Dehnung auch eine Stauchung gemeint sein kann – aus physikalischer Sicht eine negative Dehnung.

In diesem Artikel erklärt Thomas Kleckers, Produktmanager für Kraftaufnehmer bei HBM, wie ein Kraftaufnehmer funktioniert.

„Wenn man an ihnen zieht, werden Dinge nicht nur länger, sondern auch dünner. Die sogenannte Poisson-Zahl gibt an, in welchem Verhältnis die Längenänderung zur Breitenänderung steht. Das lässt sich mit einem Gummiband vergleichen, das gedehnt und dabei merklich dünner wird.“ – Thomas Kleckers

Wird der Stahlzylinder gestaucht, wird er kürzer, aber auch dicker. Wird er in die Länge gezogen, wird er gleichzeitig ein wenig dünner. Wie dick oder dünn, das hängt auch von der Grundfläche des Stahls ab. Ist ja klar: Ist der Stahlkörper sehr massiv, braucht es größere Kräfte, um ihn auf ein bestimmtes Maß zu stauchen als wenn er sehr schlank ist. Diese Tatsache hilft später beim Bau von Kraftaufnehmern für verschiedene Zwecke: Für kleinere Nennkräfte werden kleinere Aufnehmer verwendet, für größere Nennkräfte größere Aufnehmer. Die Nennkraft bezeichnet dabei die vorgesehene Maximalbelastung des Sensors.

Zurück zu den Dehnungsmessstreifen: In einem Kraftaufnehmer stecken in der Regel vier DMS, geschaltet im „Ring“ in der Wheatstone’schen Brückenschaltung, die wir hier nicht näher erläutern wollen (mehr dazu erfahren Sie in dem Fachbuch 'Eine Einführung in die Technik des Messens mit Dehnungsmessstreifen'). Wichtig ist: Die DMS sind fest mit dem Stahl des Aufnehmers verbunden und machen so jede Verformung mit. Wird der Stahl verformt, ändert sich wie oben beschrieben der Widerstand der Dehnungsmessstreifen. Das Ausgangssignal der Brückenschaltung gibt also Aufschluss darüber, wie stark die Verformung ist. Daraus berechnet sich die Kraft, die einwirkt. So funktioniert der Kraftaufnehmer.

Aus mathematischer Sicht ist daran interessant, dass das Funktionsprinzip des Kraftaufnehmers ausschließlich auf linearen Zusammenhängen aufbaut: So ist die Kraft zur mechanischen Spannung (σ=klein Sigma) proportional, σ zur Dehnung. Die relative Widerstandsänderung ist proportional abhängig von der Dehnung. Schließlich ist das Ausgangssignal der Wheatstone-Brücke linear mit der relativen Widerstandsänderung des DMS verknüpft.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Kraftaufnehmer und einer Wägezelle?

Prinzipiell erscheinen beide ja recht ähnlich: Die Wägezelle misst Masse bzw. Gewicht, der Kraftaufnehmer Kraft (also N, sprich „Newton“). Das ist ja fast austauschbar, sollte man meinen: Einfach pro 1 Newton 100 Gramm Gewicht angeben und schon wird aus dem Kraftaufnehmer eine Wägezelle.

Ganz so einfach ist es nicht.

Unterschied 1:

Die Wägezelle misst Masse, und zwar immer nur in eine Richtung, denn die Masse ist immer größer 0. Wird ein Behälter auf eine Wägezelle gestellt, kann dieser ja nicht plötzlich abheben und ein negatives Gewicht erzeugen. Der Kraftaufnehmer misst negative und positive Kräfte, Zug- und Druckkräfte.

Unterschied 2:

Die Wägezelle wird produziert, dann irgendwo beim Anwender eingebaut und dort vor Ort kalibriert oder geeicht. Die Kraftaufnehmer werden noch am Werk direkt nach der Produktion kalibriert und müssen auch nach mehrmaligem Ein- und Ausbau immer gleich messen. Der Kraftaufnehmer ist daher robuster aufgebaut als die meisten Wägezellen, um die Reproduzierbarkeit der gemessenen Werte unter verschiedenen Bedingungen gewährleisten zu können.

Unterschied 3:

Die Wägezelle muss bestimmte gesetzliche Vorgaben, etwa zur Eichfähigkeit, erfüllen. Der Kraftaufnehmer erfüllt andere Regularien: Hier geht es um Normen, etwa VDI 2635 oder ISO 376. Dabei ist zum Beispiel, anders als bei der Wägezelle, die oben genannte Reproduzierbarkeit ein wichtiger Faktor.

Anwendungsgebiete

„Kraftmessdosen kommen ja praktisch überall zum Einsatz – das kann man sich kaum vorstellen. Besonders beeindruckt hat mich eine Anwendung, bei der in einem Prüfstand eine Kraft über einen Luftspalt hinweg gemessen wird. Das heißt, es wird gemessen, obwohl der Kraftaufnehmer die Plattform nicht berührt. Ich finde es bis heute unglaublich, dass das funktioniert.“ – Thomas Kleckers

Zum Abschluss noch ein Einblick ins Geschäft – mit einigen Anwendungen, in denen Kraftaufnehmer verwendet werden.

  • Bei Tests an Gegenständen wird geprüft, wie viel Kraft auf sie einwirkt. Beispiel: der Aufprall eines Motorradhelms wie bei einem Unfall.
  • In der Referenzmesstechnik geht es darum, national und international eine Vergleichbarkeit von Messwerten herzustellen, indem mit besonders genauen Kraftaufnehmern die Anlagen messtechnischer Institute weltweit getestet werden. Die Institute liefern wiederum Referenzwerte für die komplette (inter)nationale Wirtschaft.
  • In Prüfständen sorgen Kraftaufnehmer oft dafür, dass eine gewünschte Materialbelastung genau gesteuert werden kann: Zum Beispiel, wenn ein Flugzeugflügel zur Simulation von realen Flugbedingungen mithilfe einer Maschine hin und her gedrückt wird.
  • In Industrie-Maschinen und -Anlagen braucht es Kraftaufnehmer zur Dosierung der Kräfte, zum Beispiel bei Pressen, Montagen oder auch End-of-Line-Tests. Beispiel: Wie fest muss eine Stiftkappe zugedrückt werden, um sie zu verschließen?